Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Zeitpunkt der Einkommensanrechnung bei Kündigung einer Kapitallebensversicherung und Auszahlung des Rückkaufswertes
Orientierungssatz
Bei der Beurteilung, wann der Rückkaufwert einer Lebensversicherung nach Kündigung der Versicherung durch einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende als Einkommen anzurechnen ist, kommt es auf die Gutschrift des Betrages auf dem Versicherungskonto des Hilfeempfängers an, nicht auf den Zeitpunkt der Überweisung auf ein Girokonto des Hilfeempfängers. Liegt der Zeitpunkt dieser Gutschrift auf dem Versicherungskonto vor dem Leistungszeitraum, wird die Gutschrift als Vermögen berücksichtigt, auch wenn die Überweisung auf ein Girokonto des Hilfeempfängers erst im Leistungszeitraum erfolgt.
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 zurückzunehmen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Monate April und Mai 2008 i.H.v. 898,80 € anlässlich der Auszahlung einer Lebensversicherung an den Kläger zu 2.
Auf den am 28. März 2008 eingegangenen Antrag der Kläger gewährte der Beklagte ihnen mit Bescheid vom 16. April 2008 für den Zeitraum 1. April bis 30. September 2008 Grundsicherungsleistungen i.H.v. 449,40 €/mtl. Nach ihrer vorherigen Anhörung hob er mit zwei Bescheiden vom 24. November 2009 unter jeweiligen Hinweis auf die erfolgte Auszahlung der Versicherung der V. (dies geschah unstreitig am 4. April 2008 i.H.v. 4652,80 €) seine Bewilligungsentscheidung für April und Mai 2008 teilweise i.H.v. (465,50 € + 433,30 €) = 898,80 € auf und forderte diesen Betrag von den Klägern zurück. Den von ihnen mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 jeweils eingelegten und begründeten Widerspruch wies er mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 8. Juni 2010 (W 2931/09 und W 654/10) unter Darlegung der aus seiner Sicht maßgebenden Sach- und Rechtslage als unbegründet zurück.
Am 9. Juli 2010 haben die Kläger beim Sozialgericht Neubrandenburg Klage erhoben. Sie machen im wesentlichen geltend, dass der ab dem 1. Januar 1998 festgeschriebene Rückkaufswert ihrer bei der V. AG geführten Lebensversicherung zum Schonvermögen gehöre. lediglich die, seien. Wenn überhaupt die vom 1. Januar 2005 bis zum 3. April 2008 entstandenen Überschussbeteiligungen anrechnungsfähig seien, hätte lediglich eine teilweise Anrechnung zu Lasten des Klägers zu 2. erfolgen können, da die Klägerin zu 1. in den Monaten April und Mai 2008 keine SGB II-Leistungen bezogen habe, sondern ihr Einkommen mit dem Gesamtbedarf der Familie verrechnet worden sei.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und bekräftigt u.a., dass zwischen garantierter Überschussbeteiligung, Schlussüberschussanteilen und Bewertungsreserven unterschieden werden müsse. Allenfalls die konstant gebliebene Versicherungssumme i.H.v. 3267,00 € könne als geschütztes Vermögen angesehen werden. Hingegen seien die Überschussanteile nicht feststehend und erst im Zeitpunkt der Fälligkeit zur Auszahlung gelangt. Daher müssten diese und die Bewertungsreserven komplett als Einkommen zu bewerten sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Leistungsakte des Beklagten (3 Hefter)sowie der Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 23. Oktober 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Insofern sind die Kläger beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da die streitgegenständlichen (Widerspruchs-)bescheide rechtswidrig sind. Wie der Rückkaufswert der Versicherungssumme i.H.v. 3258,40 € waren die aufgelaufenen Überschussanteile und Bewertungsreserven aus der Lebensversicherung i.H.v. (1337,50 € + 41,70 € = 1379,20 €) am Stichtag 1. März 2008 ebenfalls bereits Vermögen und fallen insgesamt unter den in § 12 Abs. 2 SGB II geregelten Vermögensfreibetrag. Sie waren daher bei der Auszahlung am 4. April 2008 nicht als einmalige Einnahme zu berücksichtigen.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urt. vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R -, zit. nach juris, Rn 18) ist Einkommen alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, wobei regelmäßig der tatsächliche Zufluss maßgebend ist, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Demnach sind Zinseinnahmen (entsprechen-des gilt für die hier einschlägigen Überschussanteile bzw...