Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Aufhebung einer Leistungsbewilligung bei nachträglichem Zufluss von Einkommen an den Hilfebedürftigen aus einem Grundstücksverkauf. Umfang der Ermittlungspflicht des Grundsicherungsträgers im Rahmen einer Aufhebungsentscheidung
Orientierungssatz
Hat ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in einem Leistungsbewilligungszeitraum Einkommen aus einem Grundstücksverkauf erzielt, so setzt eine Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Grundsicherungsträger die Ermittlung der Höhe des dem Hilfebedürftigen zugeflossenen Erlöses voraus. Dabei darf durch den Grundsicherungsträger zur Ermittlung der Werthaltigkeit der Einnahmen nicht allein auf den Bodenrichtwert zurückgegriffen werden. Vielmehr ist das fehlende Wissen um die Höhe der Einnahmen ggfs. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erlangen. Diese Ermittlung muss auch nicht durch das Sozialgericht im gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Aufhebungsbescheides nachgeholt werden.
Tenor
Die mit dem Änderungs-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 17. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2016 verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen werden, soweit diese den Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 betreffen, aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger drei Viertel der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beklagte seine zuvor gegenüber dem Kläger nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ergangenen sozialverwaltungsbehördlichen bewilligenden Verfügungen für den Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 zu Recht wegen der Berücksichtigung von Einkommen aufgrund einer Grundstücksübertragung aufgehoben hat und gewährte Leistungen im Aufhebungsumfang zurückfordert.
Der im März 1968 geborene Kläger erhielt seit geraumer Zeit von dem beklagten Jobcenter passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II. Auf seinen Fortzahlungsantrag gewährte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2015 für den Zeitraum vom 01. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015 entsprechende Leistungen. Unter Berücksichtigung von Änderungen in den Einkommensverhältnissen des Klägers (Erzielung von Einnahmen aus einer im Juli 2015 begonnenen selbständigen Tätigkeit) hob der Beklagte mit ua auf die Regelung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X gestützter sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung vom 02. Mai 2016 seine bewilligende Verfügung vom 20. Januar 2015 für den Zeitraum vom 01. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2015 im Umfang eines Betrages von 246,74 Euro auf und forderte mit ua auf die Regelung des § 50 Abs 1 SGB X gestützter sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung in diesem Umfang Erstattung. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 30. Mai 2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2016 als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. August 2016 - bei dem erkennenden Gericht eingegangen am gleichen Tage - Klagen erhoben, die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 21 AS 1477/16 (mit Wirkung ab dem 01. Januar 2021: S 26 AS 1477/16) registriert wurden.
Aufgrund eines im Oktober 2015 durch den Beklagten durchgeführten Datenabgleiches erhielt dieser Kenntnis davon, dass der Kläger Eigentümer eines bebauten Grundstückes in der Weberstraße 72 in 16866 Kyritz sei. Im Rahmen des daraufhin durch den Beklagten eingeleiteten Anhörungsverfahrens teilte der Kläger ua mit, seine Mutter habe ihm das Grundstück mit notariellem Überlassungsvertrag vom 03. März 2015 unentgeltlich übertragen. Unter dem 17. August 2016 hob der Beklagte die Bewilligung aus dem Bescheid vom 20. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 unter Berufung ua auf § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X und § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X mit Wirkung ab dem 01. April 2015 vollständig auf und forderte unter Berufung ua auf § 50 Abs 1 SGB X Erstattung in Höhe von 1.912,12 Euro sowie unter Berufung ua auf § 335 Abs 1 S 1 SGB X Erstattung in Höhe von 679,40 Euro. Zur Begründung führte er ua aus, die unentgeltliche Übertragung einer Immobilie sei gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB II aF als Einnahme in Geldeswert zu berücksichtigen. Bei einer Grundstücksfläche von 260 Quadratmetern und einem Bodenrichtwert in Höhe eines Betrages von 36,20 Euro betrage der Geldwert des Grundstücks 9.412,00 Euro, das Gebäude werde mit einem Geldwert von 0,00 Euro berücksichtigt. Gemäß § 11 Abs 3 SGB II sei der Geldwert als einmalige Einnahme ua im Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 31. Juli 2015 mit einem monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen, der dazu führe, dass die Hilfebedürftigkeit insgesamt entfalle....