Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Übernahme der Unterkunftskosten bei einem Eigenheim. Ermittlung angemessener Unterkunftskosten. Bestimmung des Hilfebedarfs bei einem selbständig tätigen Grundsicherungsempfänger
Orientierungssatz
1. Erfolgt der Kauf eines Eigenheims und der Abschluss eines Darlehensvertrages dafür durch einen Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, ohne dass er zuvor eine Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der dazu entstehenden Zinskosten als Kosten der Unterkunft eingeholt hat, so trägt er das Risiko, den die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Teil dieser Aufwendungen selbst tragen zu müssen.
2. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für Unterkunftskosten, so ermittelt sich diese Angemessenheitsgrenze nach den Tabellenwerten zum Wohngeldgesetz, wobei ein Zuschlag von 10 Prozent auf die ermittelten Werte vorzunehmen ist. Die Angemessenheitsgrenzen für Heizkosten können dann aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes e.V. abgeleitet werden. Eine Nutzung des sog. Heizkostenspiegels kommt dagegen nicht in Betracht.
3. Kann in einem sozialgerichtlichen Verfahren über Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende der als Selbständiger tätige Kläger seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auch nach ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht nicht nachvollziehbar darlegen, ist das Gericht befugt, die Einnahmen des Klägers aus der unternehmerischen Tätigkeit zur Ermittlung des Hilfebedarfs zu schätzen.
4. Einzelfall der Schätzung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit eines Grundsicherungsempfängers zur Feststellung des Hilfebedarfs (hier: Schätzung anhand der Einkommenssteuerbescheide unter Berücksichtigung auch des vom Steuerberater festgestellten Jahresabschlusses).
Tenor
Die Klagen werden, soweit sie über das von dem Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis vom heutigen Tage hinausgehen, abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der den Klägern entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren - nachdem in einer Vielzahl zwischen ihnen geführter paralleler Rechtsstreitigkeiten mehrjährige Vergleichsbemühungen erfolglos waren und ein Güterichterverfahren gescheitert ist - im Wesentlichen darum, ob die Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf (höhere) (passive) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Zeitraum vom 01. Juni 2009 bis zum 30. November 2009 haben.
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin und der im Jahre 1952 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und bezogen noch bis zum 31. Dezember 2006 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom Jobcenter Berlin-Reinickendorf.
Seit dem 01. Mai 2008 bezieht die Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche (erst) seit dem 01. Juli 2009 vom Träger der Rentenversicherung laufend monatlich gezahlt wird. Ferner erhält die Klägerin hierneben seit den gleichen Zeitpunkten eine Betriebsrente, die ebenfalls monatlich (erst) seit dem 01. Juli 2009 ausgezahlt wird.
Der Kläger war im hier streitgegenständlichen Zeitraum als Inhaber eines Zeitschriften- und LOTTO-Geschäftes selbständig tätig und erzielte aus dieser Tätigkeit ein monatlich unterschiedlich hohes Einkommen.
Die Kläger erwarben mit notariellen Kaufvertrag vom 21. August 2006 zu einem Kaufpreis in Höhe von 105.000,00 Euro je zur Hälfte Eigentum an insgesamt 1.128,00 Quadratmeter Grund und Boden einschließlich eines darauf stehenden Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 100,00 qm, gelegen in 16552 Schildow (Gemarkung Schildow, Flur 18, Flurstück 524), in welches sie aus der von ihnen zuvor bewohnten Wohnung in Berlin-Reinickendorf zum 30. November 2006 einzogen. Eine - schriftliche Verwaltungsentscheidung - des zuvor zuständigen Jobcenters Reinickendorf oder des Beklagten hinsichtlich der für die neue Unterkunft in Schildow zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung ist nicht aktenkundig.
Zur Finanzierung des Immobilienerwerbes schlossen die Kläger unter dem 10./14. August 2006 mit der Bausparkasse Mainz AG einen Kreditvertrag über einen Bruttokreditbetrag in Höhe von 103.000,00 Euro, wobei der Darlehensrückzahlungsanspruch der Kreditgeberin durch die Eintragung einer Grundschuld in gleicher Höhe gesichert worden war. Neben den Klägern ist in dem Kreditvertrag der Bruder der Klägerin - der Zeuge A. - als weiterer Kreditnehmer aufgeführt. Der Zeuge A. ist nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Zur Rückführung des Darlehens zahlten die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich etwa 480,00 Euro. Insgesamt waren die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Forderungen für ihre Unterkunft zwischen etwa 470,00 Euro und etwa 640,00 Euro monatlich ausgesetzt. Für die Beheizu...