Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Vorverfahren. Rechtsanwaltsgebühr. Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit. Rechtsangelegenheit der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Orientierungssatz

1. Die billige Gebühr für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts im sozialgerichtlichen Vorverfahren wird in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmt. Sie ist in einem zweiten Schritt in der Höhe des Schwellenwertes zu kappen, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich ist (Anschluss an BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 21/09 R = SozR 4-1935 § 14 Nr 2).

2. Bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - von Bagatellsachen abgesehen - im Rahmen der Gebührenabwägung von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen, denen jedoch regelmäßig eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit gegenübersteht, so dass - bei durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit - regelmäßig die Schwellengebühr kostenrechtlich angemessen ist.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung seines Kostenbescheides vom 23. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2010 verurteilt, der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 195,16 € zu erstatten.

Der Beklagte trägt die der Klägerin entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom beklagten Grundsicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung des die Klägerin auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren vertretenden Bevollmächtigten im “isolierten Vorverfahren".

Der Beklagte bewilligte der Klägerin und ihrem im Jahre 1990 geborenen Sohn zunächst mit Bewilligungsbescheid vom 10. März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 01. April 2006 bis zum 30. September 2006; dabei berücksichtigte sie als Einkommen auch fiktive Unterhaltsleistungen in Höhe eines monatlichen Betrages von 245,00 €. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin mit einseitigem Schreiben vom 13. April 2006 namens und in Vollmacht der Klägerin auftragsgemäß Widerspruch, den er damit begründete, dass bei der Berechnung der Einkünfte Unterhaltszahlungen berücksichtigt worden seien, die tatsächlich niemals gezahlt worden seien. Mit Änderungsbescheid vom 20. Juni 2007 - betreffend den Bewilligungszeitraum vom 01. Juni 2006 bis zum 30. September 2006 berücksichtigte der Beklagte nur noch tatsächliche Unterhaltsleistungen in Höhe eines Betrages von monatlich 150,00 €. Der Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 27. Juli 2007, dass sich nach Rücksprache mit seiner Mandantin (der hiesigen Klägerin) der Widerspruch nach Erteilung des Änderungsbescheides erledigt habe. Mit Kostennote vom 09. August 2007 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr einen Gesamtbetrag in Höhe von 309,40 € in Rechnung.

Mit Schreiben des Beklagten vom 11. Februar 2008 bat der Beklagte unter Hinweis auf weitere anhängige Widerspruchsverfahren um Klarstellung, welche Widerspruchsverfahren im Einzelnen beendet seien. Nachdem der Bevollmächtigte unter Beifügung einer Kopie seiner Vollmachtsurkunde mit Schreiben vom 17. April 2008 auf seine alleinige Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Widerspruchs gegen den Bewilligungsbescheid vom 10. März 2006 hingewiesen hatte, entschied der Beklagte, dass er die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe und stellte darüber hinaus fest, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten notwendig gewesen sei (Kostenbescheid vom 23. Mai 2008). Darüber hinaus setzte er Kosten in Höhe eines Betrages von 57,12 € fest, wobei er u. a. eine Geschäftsgebühr in Höhe eines Betrages von 40,00 € bei der Berechnung berücksichtigte. Angemessen erscheine nur eine an der unteren Grenze liegende Gebühr. Der Tätigkeitsumfang des Bevollmächtigten habe in der Abfassung nur eines Schreibens bestanden; hierfür seine Vergütung in Höhe eines Betrages von 40,00 € durchaus erforderlich, aber auch ausreichend.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juli 2008 Widerspruch; es sei zu bedenken, dass lediglich die Mittelgebühr in Ansatz gebracht worden sei, obwohl der Mandantin zu ihrem Recht verholfen worden sei. Die Berechnung sei angesichts des nachweislichen Akteninhalts angesichts der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden.

Unter Zurückweisung des Widerspruches im Übrigen setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 114,24 € fest (Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2008). Die Gesamtbewertung von Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung führe im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin zwar zu einer Erhöhun...

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