Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. erfolgreicher Widerspruch. ursächliche Verknüpfung zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung. normatives Korrektiv. Verhinderung von Rechtsmissbrauch

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich, wenn zeitlich nach der Einlegung des Widerspruchs eine dem Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern er ist nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs 1 S 1 SGB 10, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde auch eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht.

2. Bei der ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne handelt es sich um ein normatives Korrektiv. Der Rechtsfigur liegen nicht tatsächliche Kausalitätszusammenhänge zugrunde, sondern der Gedanke des Rechtsmissbrauchs und eines venire contra factum proprium.

3. Der erforderliche Ursachenzusammenhang ist immer dann zu verneinen, wenn der Erfolg durch ein Ereignis in der Sphäre des Widerspruchsführers, insbesondere durch eine nachträglich vorgenommene dem Widerspruchsführer obliegende Mitwirkung, herbeigeführt wurde.

 

Tenor

Der Widerspruchsbescheid vom 19.07.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für die Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren W 1379/16 zu erstatten.

Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten war notwendig.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen-

 

Tatbestand

Streitig sind die Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Mit Bescheid vom 23.06.2016 wurde den Klägerinnen für die Zeit vom 01.06.2016 bis 30.04.2017 Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung von Unterhalt für die Klägerin zu 3 in Höhe von 155.- € bewilligt. Der Vater der Klägerin zu 3 strebte der ein Unterhaltsabänderungsverfahren beim Familiengericht M. an und zahlte am 10.11.2016 lediglich 33 € Unterhalt. Am 14.11.2016 reichte die Klägerin zu 1 den gerichtlichen Antrag zusammen mit dem Kontoauszug bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 26.11.2016 wurden den Klägerinnen geänderte Leistungen für die Zeit vom 01.01.2017 bis 30.04.2017 bewilligt. Hierbei wurde wiederum ein Unterhalt für die Klägerin zu 3 in Höhe von 155 € angerechnet. Mit Schreiben vom 12.12.2016, eingegangen per Fax bei der Beklagten am selben Tag, erhoben die Klägerinnen durch die Prozessbevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.11.2016 und begehrten eine Neuberechnung der Leistung für die Monate November und Dezember 2016. Der Widerspruch wurde von der Beklagten unter der Nr. W 1379/16 registriert. Mit Bescheid vom 07.2.2016 (mit dem Druckdatum 08.12.2016) wurden den Klägerinnen geänderte Leistungen nach dem SGB 2 für die Zeit vom 01.11.2016 bis 30.04.2017 unter Berücksichtigung des tatsächlich geleisteten Unterhalts für die Klägerin zu 3 bewilligt. Mit Schreiben vom 22.03.2017 teilte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass der Bescheid vom 07.12.2016 erst nach Einlegung des Widerspruches zugegangen sei. Mit Bescheid vom 03.04.2017 lehnte die Beklagte die Übernahme der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen der Klägerinnen ab. Dagegen erhoben die Klägerinnen durch ihre Prozessbevollmächtigte am 03.05.2017, eingegangen bei der Beklagten am gleichen Tag, Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2017 als unbegründet zurückgewiesen wurde, da kein kausaler Zusammenhang zwischen der Widerspruchseinlegung am 12.12.2016 und dem Erlass der begünstigenden Entscheidung vom 7.12.2016 bestanden habe.

Hiergegen haben die Klägerinnen am 18.08.2017 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass die Beklagte zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens verpflichtet ist, da der Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Insbesondere sei zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung am 12.12.2016 der abhelfende Änderungsbescheid noch nicht wirksam zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Widerspruch zulässig und begründet gewesen, der Widerspruch sei somit erfolgreich gewesen.

Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),

Den Widerspruchsbescheid vom 19.07.2017 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen für die Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren W 1379/16 zu erstatten und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Inhaltlich bezieht sie sich auf die Argumentation in den angegriffenen Bescheiden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorlagen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwalt...

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