Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Möglichkeit der Verjährungseinrede. Kostenminderungspflicht. Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Freistellung vom Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten nach § 63 SGB 10 ist ausgeschlossen, wenn der Mandant im Zeitpunkt des Kostenerstattungsantrags die Einrede der Verjährung erheben könnte (Anschluss an SG Nordhausen vom 26.10.2015 - S 31 AS 818/14 = AGS 2016, 550). Dies gilt unabhängig davon, ob der Mandant aktuell die Einrede der Verjährung erheben würde.
2. Der Beklagte ist berechtigt, die Erstattung der Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten unter Hinweis auf die Kostenminderungspflicht abzulehnen.
3. Es spricht vieles dafür, von einer dreijährigen Verjährungsfrist der Ansprüche nach § 63 SGB 10 auszugehen (obiter dictum).
Orientierungssatz
Az beim LSG Erfurt: L 9 AS 361/17
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung ist zulässig.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten.
Die Kläger bezogen u.a. im Juli 2008 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Beklagten. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte in Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides für Juli 2008 insgesamt 637,59 EUR. Hiergegen legten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten am 24. November 2008 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 8. April 2009 gab der Beklagte dem Widerspruch statt und erhöhte den bewilligten Betrag auf 672,87 EUR. Mit Bescheid vom 9. April 2009 erklärte sich der Beklagte bereit, die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten.
Am 28. Dezember 2013 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf 480,76 Euro festzusetzen. Dabei ging er von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 Euro zzgl. der Erhöhung für zwei weitere Widerspruchsführer aus. Auf Anforderung des Beklagten übersandten die Kläger eine Schreiben des Prozessbevollmächtigten an sie vom 28. Dezember 2013, dem eine „Kostenrechnung vom 31. Dezember 2009“ mit dem Hinweis beigefügt war, dass der Bevollmächtigte diesen Betrag nunmehr bei dem Beklagten geltend macht. Der Beklagte setzte die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 Euro fest, weil der Kostenerstattungsanspruch des Bevollmächtigten gegenüber seinem Mandanten bereits verjährt sei (Bescheid vom 28. Juli 2014). Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2014).
Mit der im November 2014 erhobenen Klage haben die Kläger weiterhin die Festsetzung der beantragten Gebühr begehrt. Der Prozessbevollmächtigte hat die Auffassung vertreten, dass die Verjährungsfrist vier Jahre betrage.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2014 zu verpflichten, sie von dem Vergütungsanspruch gegenüber ihrem Klägerbevollmächtigten in Höhe von 480,76 EUR freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Gebührenansprüche des Bevollmächtigten würden der dreijährigen Verjährung unterliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in Form der Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und zulässig, im Ergebnis aber unbegründet. Die Kläger waren wegen Zeitablaufs nicht berechtigt, weitere Gebühren von dem Beklagten zu fordern.
Nach § 63 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen in diesem Sinne sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen. Sie sind nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl. Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage, § 63 Rdnr. 29). Die Kläger hatten zunächst grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten, weil der Beklagte dies im Bescheid vom 9. April 2009 anerkannte.
Der Anspruch auf Erstattung von Kosten ist jedoch auf die notwendigen Aufwendungen beschränkt. Notwendig ist dabei alles, was ein verständiger Beteiligter im Hinblick auf die Bedeutung sowie die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. Roos ebenda, Rdnr. 13 m.w.N.). Grundsätzlich sind in Fällen mit anerkannt notwendiger rechtsanwaltlicher Bevollmächtigung die vom Rechtsanwalt nach dem RVG zu fordernden Gebühren und Auslagen als vernünftige Ausgabe in diesem Sinn zu verstehen.
Das Gericht lässt es im vorliegenden Fall nochmals und ausd...