Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion des vom Versicherten gestellten Leistungsantrags bei Versäumung der Bescheidungsfrist durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB 5 gewährt dem Versicherten als Rechtsfolge der Fristversäumnis bei einem von ihm gestellten Leistungsantrag sowohl einen Sachleistungs- als auch einen Kostenerstattungsanspruch.

2. Überschreitet die Krankenkasse bei ihrer Bescheidung die Frist des § 13 Abs. 3a SGB 5, so kann der Versicherte von der Krankenkasse entweder die Leistung verlangen oder sich gemäß § 13 Abs. 3a S. 7 die Leistung selbst beschaffen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 10.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2014 verurteilt, die Klägerin mit einem CGM - Messsystem DexComG4 Platinum einschließlich des hierfür zur Messung und Auswertung jeweils erforderlichen Zubehörs zu versorgen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Messsystem zur kontinuierlichen Glucose-Messung (CGMS).

Die 1983 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Mit Schreiben vom 28.03.2013 (Eingangsstempel Beklagte: 26.04.2013) beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme eines CGMS. Ein CGMS würde ihr die Einstellung ihres Diabetes sehr erleichtern, da sie häufig ihren Blutzucker messen müsse, um eine gute Einstellung zu erreichen. Da sie ihre Hypoglykämien nicht mehr richtig wahrnehme - auch nach mehreren Wahrnehmungstrainings - sei keine Besserung zu vernehmen. Dadurch sei auch ihr Lebensgefährte einer außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt. Er stehe morgens schon immer mit der Angst auf, sie wieder bewusstlos im Bett vorzufinden.

Beigefügt war ein Kostenvoranschlag der Firma ninta med für ein "Dexcom G4 zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung - Quartalsbedarf Sensoren - " zum Endpreis von 834,00€.

Weiter beigefügt war ein diabetologisches Gutachten des Krankenhauses S.. In diesem wird ausgeführt, dass bei der Klägerin seit dem 7. Lebensjahr ein Typ-1-Diabetes bestehe. Der Diabetes habe immer als schwer bzw. nicht einstellbar (sog. "brittle diabetes") gegolten, die subjektiv schmerzhaften Injektionen seien zwei Jahrzehnte lang als Abwehrverhalten, Anpassungsstörung u.ä. fehlinterpretiert worden. Die für die jahrelangen Schmerzen und Nicht-Einstellbarkeit ursächliche Allergie gegen Kresol und Phenol mit konsekutiver subcutaner Insulinresistenz sei erst Jahre später erkannt worden. Seit November 2011 liege schließlich ein intraperitonealer Port, über den mittels einer kontinuierlichen Insulininfusion das Pumpeninsulin Insuman Infusat nach dem Basis/Bolus Konzept verabreicht werde. Die Klägerin sei exzellent geschult, rechne mit Broteinheiten, BE-Faktoren und passe Korrekturfaktoren tageszeitlich und nach Höhe des selbstgemessenen Blutzuckers an.

Die Klägerin habe die ohnehin stark schwankenden Blutzuckerwerte einerseits bisher eher hoch gehalten, um Hypoglykämien zu vermeiden. Andererseits sei es trotzdem wiederholt zu Fremdhilfebedürftigen Hypoglykämien gekommen. Außerdem lägen bereits mikrovaskuläre Spätkomplikationen vor. Wegen stark schwankender Blutzuckerwerte bei formal nicht befriedigender Stoffwechsellage (HbA1c 7,5%) sei nach eingehender Geräteeinweisung und Schulung vom 10.01.-18.01.2013 versuchsweise ein System zur kontinuierlichen Gewebeglukosemessung angelegt worden. Die Klägerin komme damit gut zurecht. Es sei während der Testwoche möglich gewesen, vier Problembereiche zu erkennen und therapeutisch anzugehen.

* Die nächtliche Basalrate sei bis ca. 06.00 Uhr zu niedrig, von 06.00 bis 08.00 Uhr dagegen zu hoch und sei entsprechend angepasst worden.

* Es sei trotz der intraperitonalen Bolusgabe regelmäßig zu steilen prandialen Zuckerspitzen gekommen, weshalb man den bestehenden Spritz-Ess-Abstand von 20 auf 30 Minuten verlängert habe.

* Durch die Alarmfunktion des Sensors sei es der Klägerin möglich gewesen, Unterzuckerungen zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Autonome und neuroglukopenische Symptome seien in keinem einzigen Fall vorhanden gewesen. Die durchgeführten Kontrollmessungen seien jeweils plausibel gewesen.

* Dabei habe sich auch gezeigt, dass die Klägerin bisher in der Hypoglykämie zu viele Broteinheiten zugeführt habe, was zu steilen Zuckerspitzen nach Hypoglykämien geführt habe. Am letzten Tag der Probewoche sei keine Hypoglykämie mehr aufgetreten.

Bei der Klägerin seien im Prinzip alle Therapiemaßnahmen ausgeschöpft. Sie trage eine intraperitoneale Pumpe, führe regelmäßige Blutzuckermessungen incl. nächtlicher Blutzuckermessungen durch und habe an Schulungen zur Therapie-Optimierung sowie dreimal an einem Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining teilgenommen. Da die Klägerin wiederholt fremdhilfebedürftige Unterzucker erlitten habe und nach wie vor keinerlei Warnsymptome wahrnehme, bestehe die Indikation zur kontinuierlichen Gewebeglukosemessung zur...

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