Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf Versorgung mit einem CGM-Messsystem zur kontinuierlichen Glucose-Messung bei Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5. Sachleistung. Rücknahme der fingierten Bewilligung. Neue Behandlungsmethode. Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter hat einen Anspruch auf Versorgung mit einem CGM-Messsystem zur kontinuierlichen Glucose-Messung einschließlich des hierfür erforderlichen Zubehörs, wenn die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 eingetreten ist, auch wenn der G-BA noch keine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen abgegeben und der Bewertungsausschuss sie nicht zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä 2008) gemacht hat.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3a, § 12 Abs. 1, § 135 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; SGB X § 45

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Messsystem zur kontinuierlichen Glucose-Messung (CGMS) einschließlich des hierfür zur Messung erforderlichen Zubehörs.

Die 1983 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Mit Schreiben vom 28.03.2013 (Eingangsstempel Beklagte: 26.04.2013) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme eines CGMS. Ein CGMS würde ihr die Einstellung ihres Diabetes sehr erleichtern, da sie häufig ihren Blutzucker messen müsse, um eine gute Einstellung zu erreichen. Da sie ihre Hypoglykämien nicht mehr richtig wahrnehme - auch nach mehreren Wahrnehmungstrainings - sei keine Besserung zu erwarten. Dadurch sei auch ihr Lebensgefährte einer außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt. Er stehe morgens schon immer mit der Angst auf, sie wieder bewusstlos im Bett vorzufinden.

Beigefügt war ein Kostenvoranschlag der Firma n.m. für ein "Dexcom G4 zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung - Quartalsbedarf Sensoren - " zum Endpreis von 834,00 EUR. Weiter beigefügt war ein diabetologisches Gutachten des Krankenhauses S. In diesem wird ausgeführt, dass bei der Klägerin seit dem 7. Lebensjahr ein Typ-1-Diabetes bestehe. Der Diabetes habe danach immer als schwer bzw. nicht einstellbar (sog. "brittle diabetes") gegolten, die subjektiv schmerzhaften Injektionen seien zwei Jahrzehnte lang als Abwehrverhalten, Anpassungsstörung u.ä. fehlinterpretiert worden. Die für die jahrelangen Schmerzen und Nicht-Einstellbarkeit ursächliche Allergie gegen Kresol und Phenol mit konsekutiver subcutaner Insulinresistenz sei erst Jahre später erkannt worden. Seit November 2011 liege schließlich ein intraperitonealer Port, über den mittels einer kontinuierlichen Insulininfusion das Pumpeninsulin Insuman Infusat nach dem Basis/Bolus Konzept verabreicht werde. Die Klägerin sei exzellent geschult, rechne mit Broteinheiten, BE-Faktoren und passe Korrekturfaktoren tageszeitlich und nach Höhe des selbstgemessenen Blutzuckers an. Die Klägerin habe die ohnehin stark schwankenden Blutzuckerwerte einerseits bisher eher hoch gehalten, um Hypoglykämien zu vermeiden. Andererseits sei es trotzdem wiederholt zu fremdhilfebedürftigen Hypoglykämien gekommen. Bei der Klägerin seien im Prinzip alle Therapiemaßnahmen ausgeschöpft. Sie trage eine intraperitoneale Pumpe, führe regelmäßige Blutzuckermessungen incl. nächtlicher Blutzuckermessungen durch und habe an Schulungen zur Therapie-Optimierung sowie dreimal an einem Hypoglykämie-Wahrnehmungstraining teilgenommen. Da die Klägerin wiederholt fremdhilfebedürftige Unterzucker erlitten habe und nach wie vor keinerlei Warnsymptome wahrnehme, bestehe die Indikation zur kontinuierlichen Gewebeglukosemessung zur Vermeidung potentiell lebensbedrohlicher Situationen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 3 Akte der Beklagten verwiesen.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 07.05.2013 mit, dass man den MDK beteiligt habe. Sobald der Beklagte die Antwort vorliege, werde man ihr umgehend das Ergebnis mitteilen. Mit Schreiben vom 25.06.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK angebe, zur abschließenden Beurteilung weitere Unterlagen zu benötigen. Man bitte die Klägerin daher, weitere ärztliche Berichte zu Diagnostik, Befund, Therapie und Verlauf einzureichen (Facharzt, Krankenhaus, Reha, Hypoglykämiewahrnehmungstrainingsbericht), insbesondere die letzten 3 HbA1c-Werte, sowie die Blutzuckerprotokolle der letzten drei Monate mit Angabe BE, Korrekturfaktor, BZ-Ziele, Insulinpumpeneinstellung und Dokumentation ergriffener Regulationsmaßnahmen (sportl. Aktivität, Krankheiten, Fremdhilfeleistungen). Diese Unterlagen wurden von der Klägerin mit Schreiben vom 08.07.2013 übersandt. Die Beklagte beteiligte daraufhin erneut den MDK. Im Gutach...

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