Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 08.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2021 wird ab 09.05.2022 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin ab 09.05.2022 mit Cannabismedikamenten entsprechend dem Arztfragebogen vom 03.08.2020 zu versorgen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Versorgung der Klägerin mit Cannabis-Medikamenten.
Die am xx.xx.xxxx geborene - aktuell 83 Jahre alte - Klägerin stellte unter Vorlage des Arztfragebogens zu Cannabinoiden, ausgefüllt von Herrn Dr. med. B. am 03.08.2020, einen Antrag auf Kostenübernahme für Cannabis in Form von Tabletten oder Tropfen. Nach Angaben des Arztes sollen durch die Einnahme von Cannabis (Dronabinol) die chronischen Schmerzen, das LWS-Syndrom, der Bandscheibenvorfall sowie die Coxarthrose rechts sowie der Zustand nach TEP (Totalendoprothese) der rechten Hüfte behandelt werden. Behandlungsziele seien die Schmerzreduktion sowie die Verbesserung der Lebensqualität.
Die Beklagte legte die Angelegenheit den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Beurteilung vor. Der MDK teilte mit Gutachten vom 02.09.2020 mit, dass aus gutachterlicher Sicht allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen als Alternative, selbst unter Beachtung des Alters der Antragstellerin und der vorliegenden Funktionseinschränkungen, verschiedene Co-Analgetika sowie nicht medikamentöse Therapien wie regelmäßige, bereits im Rahmen der stationären Schmerztherapie erfolgreich eingesetzte Heilmittelanwendung und schmerzpsychotherapeutische Begleittherapie zur Verfügung stünden. Außerdem sei die bewilligte Schmerzrehabilitationsmaßnahme, die aufgrund der bestehenden Corona-Pandemie bisher nicht angetreten werden konnte, abzuwarten. Die Vorstellung beim Schmerztherapeuten werde auch empfohlen. Dem MDK lagen zur Beurteilung der Begutachtungsauftrag der Krankenkasse vom 18.08.2020 inklusive Leistungsübersicht, der Arztfragebogen zu Cannabinoiden vom 03.08.2020, das nervenärztliche Attest der Neurologie am L.- Platz
A-Stadt vorn 26.03.2020, der geriatrisch-internistischer Krankenhausentlassungsbericht des Klinikums A-Stadt betreffend den stationären Krankenhausaufenthalt vom 28.02.2019 bis 25.03.2019 sowie das Gutachten des MDK Bayern zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 27.06.2018 vor.
Die Beklagte schloss sich der Beurteilung des MDK an und lehnte den Antrag auf
Kostenübernahme für Cannabis (Dronabinol) mit Bescheid vom 08.09.2020 ab.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2021 Widerspruch. Der Widerspruch wurde unterstützt durch ein ärztliches Attest durch den Hausarzt der Klägerin Dr. B. vom 30.09.2020 (Blatt 29 der Akten der Beklagten).
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit der Begutachtung. Der MDK teilte mit Gutachten vom 28.10.2020 mit, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Unstreitig leide die Klägerin an einer schwerwiegenden, die Lebensqualität deutlich beeinträchtigenden Erkrankung. Es stünden jedoch weitere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die der Klägerin zumutbar, aber bisher nicht genutzt worden seien. Die Mitbehandlung durch einen speziellen Schmerztherapeuten zur Einleitung einer multimodalen Schmerztherapie sei zu empfehlen. Der MDK kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme nicht gegeben seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides nimmt das Gericht Bezug.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 20.02.2021, das beim Sozialgericht Nürnberg am 22.02.2021 eingegangen ist, Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.01.2021 erhoben (registriert unter dem Aktenzeichen S 5 KR 95/21 ) zugleich aber einen "Eilantrag aus gesundheitlichen Gründen" gestellt (registriert unter dem Aktenzeichen S 5 KR 84/21 ER ). Es gehe um die Kostenübernahme für das Medikament Dronabinol. Sie sei Rentnerin und könne die Kosten dafür nicht aufbringen. Sie leide seit Jahren an extremen chronischen Schmerzen im Bereich Wirbelsäule (Arthrose), Bandscheibe und Hüfte. Schon 2015 habe sie dreimal die Notaufnahme aufsuchen müssen. 2018 habe eine Operation an der Hüfte stattgefunden, danach Reha, Therapien und immer wieder neue Tabletten (Fentanyl, Dramabol, Tilidin, Palexia u. a.) wegen starker Schmerzen. Eine bereits genehmigte Kur in der S.-Klinik (mit Schmerztherapie) sei abgesagt worden wegen des Coronahygienekonzepts. Sie habe nach einer einem halben Jahr einen Termin bei einem Schmerztherapeuten bekommen. Mittlerweile seien die Schmerzen höllisch geworden und sie könne ihren Haushalt nur schlecht und nur mit Hilfe versorgen. Medikamente könne sie wegen der Nebenwirkungen (Übelkeit, Magenbeschwerden, Erbrechen, Nierenbeschwerden, Schwindel, starke Krämpfe) nicht mehr einnehmen; eine weitere E...