Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Weiterzahlung des Krankengeldes bei Freistellung von der Arbeitsleistung durch Aufhebungsvertrag unter Fortzahlung der Vergütung. Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. keine Anwendung der Ruhensregelung des § 49 Abs 1 Nr 6 SGB 5
Orientierungssatz
1. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne des SGB 3 kann nicht auf das Beitragsrecht der Sozialversicherung - einschließlich des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung - übertragen werden. Es widerspricht dem Schutzzweck des Sozialversicherungsrechts, eine Beitrags- und Versicherungspflicht während Zeiten der Freistellung von der Arbeit bei Fortbestehen der Entgeltzahlungspflicht zu verneinen (Anschluss an LSG Mainz vom 21.6.2007 - L 5 KR 231/06).
2. Der Annahme einer Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5 in vollem Umfang steht nicht entgegen, dass sich eine eventuelle Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in tatsächlicher Sicht nicht auf den Arbeitslohn auswirkt, weil keine Krankschreibung durch den behandelnden Arzt erfolgt.
3. Wird § 243 SGB 5 zu Unrecht angewandt, so bringt er einen bestehenden Anspruch auf Krankengeld nicht zum Erlöschen.
4. Eine Ruhensregelung wie die des § 49 Abs 1 Nr 6 SGB 5 für die Zeit der Freistellungsphase in der Altersteilzeit existiert für die Freistellung im Aufhebungsvertrag nicht und ist auch nicht auf eine solche übertragbar.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.09.2012 verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ab 01.06.2012 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Weiterzahlung von Krankengeld.
Der Kläger war zunächst bei der B. beschäftigt. In dieser Zeit war er bei der Beklagten als versicherungspflichtiger Beschäftigter gegen Krankheit versichert. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 18.10.2011 unter Einhaltung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist am 31.05.2012. In der Zeit vom 21.12.2011 bis 31.05.2012 war er unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Sein Arbeitgeber meldete ihn mit dem ermäßigten Beitragssatz zur Krankenversicherung an.
Am 30.05.2012 bescheinigte die Gemeinschaftspraxis S., A-Stadt, dem Kläger Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 01.06.2012 bis 22.06.2012 wegen der Diagnose M25.46 (Gelenkerguss Unterschenkel). Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Praxis Dr. S. für die Zeit vom 20.06. bis 18.07.2012 datiert vom 20.06.2012 (Diagnosen: M23.39, M94.96), eine Folgebescheinigung für die Zeit vom 18.07. bis 15.08.2012 vom 18.07.2012).
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 03.07.2012 beantragte der Kläger die Zahlung von Krankengeld.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.07.2012 ab. Das Beschäftigungsverhältnis habe zum 31.05.2012 geendet, die Arbeitsunfähigkeit habe jedoch erst ab 01.06.2012 begonnen. An diesem Tage habe jedoch keine Versicherung mehr bestanden, aus der ein Krankengeldanspruch abgeleitet werden könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 18.07.2012 Widerspruch.
Die Arbeitsunfähigkeit sei bereits am 30.05.2012 festgestellt worden. Da der Kläger unter Fortzahlung der Bezüge bis zum 31.05.2012 von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen sei, sei eine Arbeitsunfähigkeit bis 31.05.2012 nicht notwendig zu diagnostizieren gewesen. Der Anspruch auf Krankengeld folge dem Tag der festgestellten Arbeitsunfähigkeit. Dies war der 30.05.2012, der Anspruch auf Krankengeld habe somit ab dem 31.05.2012 zu laufen begonnen.
Hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.07.2012 mit, dass in der Zeit vom 21.12.2011 bis 31.05.2012 die Beitragsberechnung aus dem ermäßigten Beitragssatz erfolgt sei. Nach § 243 Satz 1 SGB V hätten Mitglieder, die einen ermäßigten Beitragssatz zahlen, keinen Anspruch auf Krankengeld im Krankheitsfall.
Gestützt auf diese Begründung wies die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2012 den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25.10.2012 Klage zum Sozialgericht Nürnberg.
Er führt aus, die Erhebung des ermäßigten Beitragssatzes sei rechtsmissbräuchlich. Die in Bezug genommene Norm beschreibe ausschließlich Fälle, in denen ein Wertguthaben zunächst aufgebaut worden sei, welches gegebenenfalls im Zeitraum einer Freistellung wie etwa der Alterteilzeit wieder abgebaut werde. Im Falle der Freistellungsphase der Altersteilzeit sei dies dann auch gerechtfertigt, da tatsächlich Arbeitsunfähigkeit und Krankengeldansprüche nie realisiert werden könnten. Im vorliegenden Fall einer Freistellung während des laufenden Arbeitsverhältnisses, wo dem Grunde nach Arbeitsleistung noch erbracht werden müsste, sei eher eine Vergleichbarkeit mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers während seines laufende...