Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigung der Anstellung eines Arztes durch einen Vertragsarzt. Zulässigkeit der Ablehnung eines Antrags auf Anstellung bei nach Antragstellung erlassener Zulassungsbeschränkung

 

Orientierungssatz

1. Auch dann, wenn für die Zulassung eines Vertragsarztes (hier: Strahlentherapeut) bei Antragstellung noch keine Zulassungssperre festgelegt war, kann der Zulassungsantrag abgelehnt werden, soweit im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine Entscheidungssperre bis zur endgültigen Feststellung über das Vorliegen einer Überversorgung ausgesprochen und später durch den zuständigen Landesausschuss eine entsprechende Zulassungsbeschränkung festgelegt wird. Dabei ist der Gemeinsame Bundesausschuss grundsätzlich berechtigt, durch untergesetzliche Verfahrensregelung eine solche Zulassungssperre für bereits eingereichte Anträge festzulegen.

2. Bei einem Streit um die Zulassung der Anstellung eines Arztes bei einem Vertragsarzt ergibt sich der Wert des Streitgegenstandes aus der Höhe der durch die Anstellung in den nächsten drei Jahren erwarteten Einnahmen, bereinigt um die durchschnittlichen Praxiskosten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.05.2016; Aktenzeichen B 6 KA 24/15 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 499.105,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 8) als Facharzt für Strahlentherapie am Vertragsarztsitz des Klägers in der M.-Str., ... A-Stadt, im Umfang vom 45 Wochenstunden ab dem 01.01.2013.

Mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 06.09.2012 wurde die Arztgruppe der Strahlentherapeuten ab dem 01.01.2013 in die Bedarfsplanung einbezogen und bestimmt, dass der Zulassungsausschuss (ZA) über Zulassungsanträge sowie Anträge auf Genehmigung von Anstellungen dieser Arztgruppe bei Vertragsärzten, die nach dem 06.09.2012 gestellt werden, erst dann entscheiden kann, wenn der Landesausschuss festgestellt hat, ob eine Überversorgung vorliegt (Abschnitt I Abs. 2 Satz 3 des Beschlusses). Der Beschluss wurde im Bundesanzeiger vom 21.09.2012 veröffentlicht.

Am 20.12.2012 beantragte der Kläger bei der Geschäftsstelle des ZA die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 8) als angestellter Facharzt für Strahlentherapie an seinem Vertragsarztsitz in ... A-Stadt, M.-Str., im Umfang von 45 Wochenstunden ab dem 01.01.2013.

Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern stellte mit Beschluss vom 15.02.2013 eine Überversorgung für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten im Bezirk der Beigeladenen zu 1) fest und ordnete für diesen Planungsbereich dementsprechend Zulassungsbeschränkungen an.

Mit Bescheid vom 05.06.2013 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte - Mittelfranken - (ZA) daraufhin den Antrag des Klägers ab.

Der GBA habe mit Beschluss vom 06.09.2012 eine Entscheidungssperre für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten angeordnet, der Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen in Bayern mit Beschluss vom 15.02.2013 eine Überversorgung für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten im Bezirk der Beigeladenen zu 1) festgestellt und für diesen Planungsbereich dementsprechend Zulassungsbeschränkungen angeordnet.

Gemäß § 95 Abs. 9 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) könne ein Vertragsarzt mit Genehmigung des ZA Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Gemäß I Abs. 2 Satz 3 und 4 des GBA vom 06.09.2012 seien Anträge auf Genehmigung von Anstellungen bei Vertragsärzten, die erst nach dem 06.09.2012 gestellt worden sind, wegen Zulassungsbeschränkung auch dann abzulehnen, wenn diese noch nicht bei Antragstellung angeordnet gewesen sind.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers im Schreiben vom 01.07.2013.

Das Entscheidungsmoratorium gemäß Beschluss des GBA vom 06.09.2012 sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig. § 19 Abs. 1 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) lege fest, dass ein Antrag wegen Zulassungsbeschränkungen nur dann abgelehnt werden könne, wenn diese bereits bei Antragstellung angeordnet gewesen sind. Der GBA sei mangels Verordnungskompetenz zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen, die Rechtswirkungen des § 19 Ärzte-ZV aufzuheben oder zu unterlaufen. Für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten sei eine erstmalige Neueinführung von Zulassungsbeschränkungen vorgenommen worden. Diesen Fall habe der Verordnungsgeber in der Ärzte-ZV in eigener Kompetenz verbindlich und abschließend gesetzlich geregelt. Davon könne der GBA nicht abweichen. Nach dem Moratoriumsbeschluss des GBA vom 06.09.2012 habe für keinen einzigen Arzt dieser Fachgruppe mehr die Möglichkeit bestanden, nach altem Recht noch Zulassungsanträge zu stellen.

Der Berufungsausschuss für Ärzte - Bayern- (BA) wies den Widerspruch mit...

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