Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zurechnung des Kindergeldes. Verfassungsmäßigkeit. Bedarfsgemeinschaft. Zugehörigkeit der Stiefkinder. kein Einkommenseinsatz zur Deckung des Bedarfs der Stiefkinder
Orientierungssatz
1. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelungen des § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 bzw des § 82 Abs 1 S 2 SGB 12, wonach das Kindergeld als Einkommen dem jeweiligen minderjährigen Kind zuzurechnen ist, soweit es von diesem zur Sicherung bzw Deckung des Lebensunterhalts benötigt wird.
2. Voraussetzung der Anwendung des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 ist nicht, dass es sich bei den betreffenden minderjährigen unverheirateten Kindern um leibliche Kinder beider Partner bzw Ehegatten der Bedarfsgemeinschaft handelt. Es reicht aus, wenn es sich um Kinder eines Partners bzw Ehegatten handelt.
3. Eltern bzw Elternteile iS des § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 sind nur die leiblichen Eltern und Adoptiveltern, nicht aber die Stiefeltern oder der Partner eines Elternteils.
Tatbestand
Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, über die bereits gezahlten Leistungen hinaus höhere laufende Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die 1968 geborene Antragstellerin zu 1. ist brasilianische Staatsbürgerin und war bis zum Jahre 1999 mit einem deutschen Staatsbürger verheiratet. Sie ist die Mutter der Antragsteller zu 3. bis 6., die zwischen dem August 1993 und dem Mai 1997 geborenen wurden und die Schule besuchen. Soweit ersichtlich, wird ihnen von ihrem leiblichen Vater kein Unterhalt gewährt. Seit dem 1. Juli 2004 lebt der im Jahre 1961 geborene Antragsteller zu 2., der berufstätig ist und netto monatlich ein Einkommen zwischen 1.370,00 und 1.450,00 EURO erzielt, mit der Antragstellerin zu 1. in eheähnlicher Gemeinschaft. Der Antragsteller zu 2. ist seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau und seinen aus der Ehe hervorgegangen drei Kindern zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, wobei hinsichtlich der Höhe der tatsächlich von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen zwischen den Beteiligten verschiedene Auffassungen bestehen. Der Antragsteller zu 2. überweist direkt monatlich 113,00 EURO und tilgt außerdem aus der Ehezeit angefallene gemeinsame Schulden, was einer Vereinbarung zwischen seinem Rechtsanwalt und dem seiner Ehefrau entspricht. Die Antragstellerin zu 1. erhält monatlich ein Kindergeld in Höhe von insgesamt 616,00 EURO; die Miete für die gemeinsam bewohnte sechs Zimmer umfassende Wohnung beträgt monatlich 550,00 EURO zuzüglich 90,00 EURO Heizkosten und 60,00 EURO Abschlag auf die Nebenkosten. Bis zum Ende des Jahres 2004 erhielt die Antragstellerin zu 1. für die Antragsteller zu 3. bis 6. laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von der im Auftrage des Landkreises W. handelnden Stadt B. nach den Vorschriften des BSHG.
Am 10. Dezember 2004 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10. Januar 2005 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen in Höhe von monatlich 444,38 EURO für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2005. Dagegen wandten sich die Antragsteller zunächst mündlich und mit schriftlichem Widerspruch vom 20. Januar 2005. Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass der Antragsteller zu 2. allenfalls Leistungen zu Gunsten der Antragstellerin zu 1. erbringe, nicht aber für die Kinder der Antragstellerin zu 1. aus ihrer ersten Ehe, da er diesen nicht zum Unterhalt verpflichtet sei. Auch müsse bei der Bereinigung des Einkommens des Antragstellers zu 2. bedacht werden, dass er tatsächlich einen höheren Unterhalt als die in Ansatz gebrachten monatlichen 113,00 EURO zahle. Denn auf Grund einer außergerichtlichen Absprache erbringe er Tilgungsleistungen auf Schulden, die er und seine Ehefrau zu bedienen hätten. Weiterhin müsse das Kindergeld, dass der Antragstellerin zu 1. gewährt werde, als deren Einkommen, nicht aber als Einkommen der Antragsteller zu 3. bis 6 angesehen werden.
Am 1. Februar 2005 haben sich die Antragsteller an das Gericht mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen. Sie erwidert: Aus dem neuen Recht ergebe sich, dass bei der Einkommensberechnung die gesamten Einkünfte des Antragstellers zu 2. auf den Bedarf aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, zu der alle Antragsteller gehörten, angerechnet werden müssten. Außerdem habe der Antragsteller zu 2. keine höheren Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau und leiblichen Kinder nachgewiesen als den in Abzug gebrachten Betrag. Soweit die Tilgung von Schulden auf ein...