Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sozialhilfe. Einkommensberücksichtigung. Zurechnung des Kindergeld. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Regelungen des § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 und des § 82 Abs 1 S 2 SGB 12, nach denen das Kindergeld für minderjährige Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, wenn es bei ihm zur Sicherung bzw Deckung des Lebensunterhalts benötigt wird.

2. Die im Unterhaltsrecht nach § 1612b Abs 1 BGB geltende Regelung, dass das auf ein Kind entfallende und einem Elternteil zustehende Kindergeld zur Hälfte auf den gegenüber dem anderen Elternteil bestehenden Unterhaltsanspruch anzurechnen ist, ist auf das Recht der Sozialhilfe nicht übertragbar (vgl OVG Koblenz vom 21.11.1991 - 12 A 11831/91 = FEVS 42, 231).

 

Tatbestand

Die Antragsteller, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, begehren vom Antragsgegner, das der Antragstellerin zu 1. für die Antragstellerin zu 3. gewährte Kindergeld nicht als deren Einkommen, sondern als Einkommen der Antragstellerin zu 1. anzusehen.

Die im August 1971 geborene Antragstellerin zu 1., die bis zum Ende des Jahres 2004 Arbeitslosenhilfe von der Bundesagentur für Arbeit D.bezog, lebt zusammen mit dem im März 1970 geborenen Antragsteller zu 2. in eheähnlicher Gemeinschaft. Dieser ist berufstätig und erhielt im November 2004 ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.476,55 EURO. Für den Weg zur Arbeit benötigt er ein Kraftfahrzeug. Die im Juni 1996 geborene Antragstellerin zu 3. ist die Tochter der Antragstellerin zu 1. und geht zur Schule. Ihr leiblicher Vater ist ihr zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge in Höhe von 241,00 EURO verpflichtet. Häufig werden diese Beträge jedoch nicht oder nur mit Verzögerung gezahlt. Vom Landkreis W. werden regelmäßig Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von monatlich 164,00 EURO gewährt. Die Antragstellerin zu 1. erhält für die Antragstellerin zu 3. ein monatliches Kindergeld in Höhe von 154,00 EURO.

Mit einem am 1. Dezember 2004 bei der Gemeinde eingegangenen Antrag begehrte die Antragstellerin zu 1. für sich und ihre Haushaltsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte die Agentur für Arbeit W. mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 mit der Begründung ab, dass sie nicht hilfebedürftig sei. Eine weitere Begründung oder Berechnung denkbarer Ansprüche war diesem Bescheid nicht beigefügt. Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2004 mit der Begründung Widerspruch ein, dass es an einer Berechnung der geltend gemachten Ansprüche fehle und dass zu Unrecht offensichtlich das Kindergeld, welches sie erhalte, als Einkommen für die Antragstellerin zu 3. berücksichtigt werde. Über diesen Widerspruch wurde - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden.

Am 19. Januar 2005 haben sich die Antragsteller an das Gericht mit der Bitte um Gewährung vorläufiges Rechtsschutzes gewandt. Sie machen geltend: Zu Unrecht würden Ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorenthalten. Auch wenn man davon ausgehe, dass der Antragsteller zu 2. der Antragstellerin zu 1. als seiner Partnerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft tatsächlich aus seinem Einkommen Unterhaltsleistungen gewähre, so sei jedenfalls ein Leistungsanspruch der Antragstellerin zu 3. gegeben. Denn der Antragsteller zu 2. sei der Antragstellerin zu 3. zivil- und sozialhilferechtlich nicht zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet. Zu Unrecht werde auch das der Antragstellerin zu 1. gewährte Kindergeld auf den Bedarf der Antragstellerin zu 3. angerechnet. § 11 SGB II sei insoweit verfassungsrechtlich bedenklich. Im Übrigen sei die Errechnung des anzuerkennenden Freibetrages für die Erwerbstätigkeit des Antragstellers zu 2. nicht zutreffend vorgenommen worden. Denn die auf der Grundlage von § 13 SGB II erlassene Verordnung entspreche nicht den Maßstäben, wie sie in § 30 SGB II festgehalten worden seien.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er erwidert: Die Regelung über die Anrechnung des Kindergeldes auf das Einkommen der Kinder ergebe sich aus dem Gesetz in § 11 SGB II und sei verfassungsrechtlich einwandfrei. Gleiches gelte für die Regelungen zur Berechnung des Einkommens nach § 13 SGB II.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig er...

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