Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berechtigter. Ausländer. Ausschluss. erstmaliger Aufenthalt zur Arbeitssuche
Leitsatz (amtlich)
Der Anwendungsbereich des § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 in der ab 1.4.2006 geltenden Fassung ist unter Beachtung richtlinienkonformer Auslegung mit der Maßgabe teleologisch zu reduzieren, dass nur Ausländer, die erstmalig ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Arbeitssuche begründen, von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen sind.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 6. April 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. April 2006 wird im Wege einstweiligen Rechtsschutzes angeordnet.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einstellung der Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 30. April 2006 bis 31. Mai 2006. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 1. April 2006 geltenden Fassung - n.F. - (Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BGBl. I, S. 558) Anwendung findet.
Die am 16. Oktober 1969 in C. geborene Antragstellerin, die italienische Staatsbürgerin ist, war - nach eigenen Angaben - von 1986 bis 1987 in einer Fleischfabrik in D. beschäftigt. Anschließend bezog sie von 1987 bis 1989 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Von Juli 1999 bis Mai 2003 war sie im Gastronomiebereich selbständig tätig. Im Juni 2003 verließ sie das Bundesgebiet und zog mit ihrem Ehemann und den drei Kindern nach Italien. Von dort reiste sie am 1. Februar 2006 mit ihren drei Kindern wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Rahmen der Aufenthaltsanzeige bei der Stadt D. gab sie als Grund für ihre Einreise “Arbeitsplatzsuche„ an.
Am 3. Februar 2006 beantragte sie für sich und ihre drei Kinder Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte daraufhin für die Zeit vom 3. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 die beantragten Leistungen nach dem SGB II. In der Zeit vom 15. Februar 2006 bis 15. März 2006 war die Klägerin als Reinigungskraft bei der Firma E.. KG F. in G. beschäftigt (vgl. befristeter Arbeitsvertrag in der Verwaltungsakte des Antragsgegners).
Ohne die Antragstellerin zuvor gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) angehört zu haben, stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. April 2006 die Leistungen gemäß § 48 SGB X zum 1. Mai 2006 unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung des § 7 Abs. 1 SGB II ein. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 6. April 2006 ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin hat am 7. April 2006 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt vor, dass sie nicht mehr wisse, wie sie die Miete bezahlen und ihre Kinder und sich ernähren solle.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 6. April 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. April 2006 im Wege einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält an seiner Entscheidung fest. Die Antragstellerin halte sich zur Arbeitsplatzsuche in der Bundesrepublik Deutschland auf und sei deshalb als Ausländerin vom Leistungsbezug auszuschließen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. April 2006 gegen den Bescheid vom 5. April 2006 ist anzuordnen, denn die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind erfüllt.
Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, sofern nicht durch Bundesgesetz anderes geregelt ist (§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG). § 39 SGB II enthält eine solche abweichende Regelung für Fälle, in denen der angefochtene Verwaltungsakt über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet. Hierunter fallen auch Entscheidungen über die Aufhebungen von Bewilligungsbescheiden nach § 48 SGB X. Ein solcher Fall liegt hier vor, so dass der Widerspruch vom 6. April 2006 gegen den Bescheid vom 5. April 2006 keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Diese kann durch das Gericht gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ganz oder teilweise angeordnet werden.
Das Gericht entscheidet dabei nach eigenem Ermessen und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung. Die aufschiebende Wirkung ist in der Regel anzuordnen, wenn das Interesse des Leistungsempfängers an der aufschiebenden Wirkung überwiegt und die Behörde keine Umstände dargelegt hat, die einen Vorrang an alsbaldiger Vollziehung erkennen lassen. Dabei sind auch die Erfolgsaussichten in einem ...