Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst. Zusammentreffen mit Erwerbseinkommen. Absetzung von Freibeträgen -verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Beim Zusammentreffen von Einkünften aus Erwerbstätigkeit und Bundesfreiwilligendienst sind jeweils gesonderte Freibeträge auf die beiden verschiedenen Einkunftsarten zu gewähren.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum 01. Mai - 31. Juli 2012 unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 175,00 Euro auf Einkünfte aus Bundesfreiwilligendienst zu gewähren und nachzuzahlen.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der abzusetzenden Freibeträge vom Einkommen des Klägers zu 1. Im Zeitraum von Mai bis einschließlich Juli 2012.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Mai bis einschließlich Juli 2012. Die Bewilligung erfolgte vorläufig. Der Kläger zu 1. erhielt in diesem Zeitraum Einkommen aus Aufwandsentschädigung des Bundesfreiwilligendienstes in Höhe von monatlich 210,26 Euro sowie zusätzlich Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung in einem Gastronomiebetrieb. Der Beklagte behandelte das Einkommen einheitlich als Erwerbseinkommen und setzte entsprechende Freibeträge ab.
Hiergegen erhoben die Kläger am 07. Mai 2012 Widerspruch. Das Einkommen aus Aufwandsentschädigung des Bundesfreiwilligendienstes könne nicht angerechnet werden. Es handele sich um eine Aufwandsentschädigung für ein Ehrenamt. Darüber hinaus sei das vorläufig festgesetzte Erwerbseinkommen zu hoch angesetzt. Ferner seien die Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Die zum 01. April 2012 ausgesprochene Kündigung sei widerrufen worden. Darüber hinaus sei auch ohne Vorliegen eines Mietvertrages eine Nutzungsentschädigung gem. den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu zahlen. Die Unterkunftskosten seien zu berücksichtigen.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens berücksichtigte der Beklagte jeweils im Nachhinein, nach Ablauf des jeweiligen Monates die Kosten der Unterkunft als Bedarf der Kläger.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2013 zurückgewiesen. Die Prognose des monatlichen Einkommens in Höhe von 250,00 Euro sei nicht zu beanstanden. In den Wintermonaten, in denen in der Gastronomie nicht so viel Arbeit anfalle, habe der Kläger zu 1. 165,00 Euro monatlich verdient. Bei einem zu erwartenden Mehreinsatz in den Sommermonaten sei die Prognose nicht zu beanstanden. Die Absetzung der Freibeträge beruhe auf den Vorschriften der Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (ALG II-V).
Hiergegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2013 beim Sozialgericht Osnabrück am gleichen Tage eingegangen Klage erhoben. Die Absetzung der Freibeträge sei nicht korrekt erfolgt. Bei den Einkünften aus Bundesfreiwilligendienst handele es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit. Ein entsprechender Freibetrag sei zu berücksichtigen.
Mit endgültigem Bescheid vom 18. Mai 2015 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum Mai 2012 bis einschließlich Juli 2012 fest. In den Monaten Mai 2012 berücksichtigte der Beklagte 362,00 Euro Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung sowie 370,26 Euro Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzüglich eines Freibetrages in Höhe von insgesamt 154,05 Euro. Im Monat Juni 2012 berücksichtigte der Beklagte 480,76 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung sowie 197,66 Euro Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit abzüglich eines Freibetrages von 119,53 Euro. Im Monat Juli 2012 berücksichtigte der Beklagte 362,00 Euro an Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 309,66 Euro abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 141,93 Euro.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 27. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach Maßgabe des SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten lagen dem Gericht bei der Entscheidung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihre Zustimmung hierzu erklärt haben.
Die gem. § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und ...