Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufgabenwahrnehmung durch eine Optionskommune. Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung auf rechtlich selbstständige Verwaltungseinheit. Wahrnehmung der Aufgaben nach §§ 14 ff SGB 2 durch eine kAöR. Verstoß gegen das Einheitsprinzip. formelle Rechtswidrigkeit der erlassenen Verwaltungsakte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Optionskommune nach § 6a SGB II verstößt gegen das im SGB II angelegte Einheitsprinzip, wenn sie die "aktive" und die "passive" Leistungsgewährung durch zwei unterschiedliche, rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten wahrnehmen lässt (Anschluss an SG Osnabrück vom 28.6.2016 - S 31 AS 440/12 = NdsVBl 2016, 377 und SG Osnabrück vom 26.4.2017 - S 24 AS 916/15).
2. Zumindest die Übertragung der Aufgaben der aktiven Arbeitsmarktförderung auf eine dafür errichtete kommunale Anstalt öffentlichen Rechts (kAöR) war wegen Verstoßes gegen das oben genannte Einheitsprinzip unwirksam (Anschluss an SG Osnabrück vom 26.4.2017 - S 24 AS 916/15 aaO). Von der kAöR erlassene Verwaltungsakte sind aber nicht nichtig, sondern lediglich formell rechtswidrig. Ob die kAöR unwirksam errichtet wurde, lässt die Kammer offen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015 wird aufgehoben.
2. Der Beigeladene wird verpflichtet, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Übernahme der Kfz-Steuer im Jahr 2014 in Höhe von 95 EUR.
Die Beklagte ist eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, die für den Beigeladenen mit eigener Rechtspersönlichkeit die Eingliederungsaufgaben ("aktive") Leistungen nach dem SGB II wahrnimmt, im Wesentlichen Arbeitsvermittlung, -qualifizierung und -beratung, während die "passiven" Leistungen (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes) vom Beigeladenen selbst erbracht werden. Dabei führt der Beigeladene die Bezeichnung "Jobcenter". Der Beigeladene ist alleiniger Träger der Beklagten. Die Beklagte ist im Wege der Rechtsformumwandlung aus der zuvor bestehenden gGmbH zum 01.01.2005 gegründet worden. Nach der Unternehmenssatzung der Beklagten in der Fassung vom 31.12.2004 (ABl. des Bekl. 2004, 326 ff.) hat der Beigeladene der Beklagten die ihm obliegenden Aufgaben und Zuständigkeiten hinsichtlich der Förderung von Beschäftigung nach Kapitel 3 Abschnitt 1 SGB II (Leistungen zur Wiedereingliederung in Arbeit) übertragen, mit Ausnahme derjenigen Aufgaben, die nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum SGB II ausdrücklich im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen bleiben müssen. Der Aufgabenzuschnitt ist in der Folgezeit geändert worden. Mit der 2. Änderungssatzung vom 15.08.2007 (ABl. 2007, S. 167 ff.) sind der Beklagten zusätzlich Aufgaben nach § 22 Abs. 2a SGB II in der damaligen Fassung (Zusicherung zum Umzug bei unter 25-Jährigen) übertragen worden.
Organe der Beklagten sind der Vorstand und der Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat besteht aus den Mitgliedern des Kreisausschusses (dem Vorgängerorgan des jetzigen Hauptausschusses nach §§ 74 ff. Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG, Nds. GVBl. 2010, 576) des Beigeladenen sowie einem gewählten Vertreter der Beschäftigten; den Vorsitz führt der Landrat. Der Vorstand der Beklagten, dem die laufende Geschäftsführung obliegt, wird vom Verwaltungsrat bestimmt. Für einzelne, in der Satzung bestimmte Geschäfte bedarf der Vorstand der vorherigen Zustimmung des Verwaltungsrates. Eine Rückübertragung einzelner Aufgaben an den Beigeladenen oder ein entsprechendes Rückholrecht sind in der Unternehmenssatzung nicht vorgesehen.
Der Kläger nahm mit einem am 06.10.2014 geschlossenen Arbeitsvertrag zum 06.10.2014 eine Tätigkeit bei der Firma B. GmbH aus C. auf. Zur Arbeitsaufnahme gewährte die Beklagte 1.000 EUR für die Reparatur des abgemeldeten und defekten Autos des Klägers (Opel Omega, Baujahr 1994). Zudem gewährte die Beklagte die Übernahme von Fahrtkosten in Höhe von 76 EUR.
Mit Schreiben vom 04.11.2014 (bei der Beklagten eingegangen am 05.11.2014) beantragte der Kläger die Übernahme seiner Kfz-Steuer in Höhe von 95 EUR.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2014 ab. Eine Übernahme aus dem Vermittlungsbudget sei nur möglich, wenn die Kosten für die Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung absolut notwendig seien. Der Kläger habe bereits am 06.10.2014 eine sozialversicherungswichtige Beschäftigung bei der Firma B. GmbH in C. aufgenommen. Da der Antrag des Klägers vom 04.11.2014 auf Übernahme der Kfz-Steuer nach der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses gestellt worden sei, bestehe keine Fördermöglichkeit.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit einem auf den 01.12.2014 datierten Schreiben (bei der Beklagten eingegangen am 28.11.2014) ...