Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufgabenwahrnehmung durch eine Optionskommune. Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung auf rechtlich selbstständige Verwaltungseinheiten. Eingliederungsleistungen. Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung. fehlende Zusätzlichkeit der Arbeit in einem Ein-Euro-Job. Anspruch auf Wertersatz
Leitsatz (amtlich)
Eine Optionskommune nach § 6a SGB II verstößt gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Kompetenzausübungsschranke, wenn sie ihre hoheitlichen Aufgaben durch zwei rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten wahrnehmen lässt. Das widerspricht dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Einheitsprinzip für Optionskommunen.
Orientierungssatz
Zur Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung aufgrund fehlender Zusätzlichkeit der im Rahmen der Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung verrichteten Tätigkeiten auf dem Bauhof der Kommune und zum Anspruch auf Wertersatz für die geleistete Arbeit.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2012 wird aufgehoben.
Der Beigeladene wird verurteilt, an den Kläger 985,93 € zu zahlen.
Der Beigeladene hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgeübten Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung.
Der A. geborene Kläger bezog laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Für die hier streitgegenständliche Zeit vom 1. Juni 2011 bis zum 31. August 2011 bewilligte ihm der Beigeladene als Träger nach § 6a SGB II Leistungen in Höhe von insgesamt 343,67 € monatlich. Er berücksichtigte dabei neben dem Regelbedarf in Höhe von 364,- € den vom Kläger zu zahlenden Nebenkostenanteil in Höhe von 42,- € und ein bereinigtes Unterhaltseinkommen in Höhe von 62,33 €.
Die Beklagte ist eine kommunale Anstalt öffentlichen Rechts, die für den Beigeladenen mit eigener Rechtspersönlichkeit die Eingliederungsaufgaben („aktive“) Leistungen nach dem SGB II wahrnimmt, im Wesentlichen Arbeitsvermittlung, -qualifizierung und -beratung, während die „passiven“ Leistungen vom Beigeladenen selbst durch das Jobcenter erbracht werden. Der Beigeladene ist alleiniger Träger der Beklagten. Die Beklagte ist im Wege der Rechtsformumwandlung aus der zuvor bestehenden gGmbH zum 1. Januar 2005 gegründet worden. Für die vom Beigeladenen durch das Jobcenter wahrgenommenen Aufgaben hat dieser in der mündlichen Verhandlung richtig gestellt, dass keine Heranziehung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden stattfinde, sondern lediglich eine Personalgestellung durch diese.
Nach der Unternehmenssatzung der Beklagten in der Fassung vom 31. Dezember 2004 (ABl. des Bekl. 2004, S. 326 ff.) hat der Beigeladene der Beklagten die ihm obliegenden Aufgaben und Zuständigkeiten hinsichtlich der Förderung von Beschäftigung nach Kapitel 3 Abschnitt 1 SGB II (Leistungen zur Wiedereingliederung in Arbeit) übertragen, mit Ausnahme derjenigen Aufgaben, die nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum SGB II ausdrücklich im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen bleiben müssen. Der Aufgabenzuschnitt ist in der Folgezeit geändert worden. Mit der 2. Änderungssatzung vom 15. August 2007 (ABl. 2007, S. 167 ff.) sind der Beklagten zusätzlich Aufgaben nach § 22 Abs. 2a SGB II (Zusicherung zum Umzug bei unter 25-Jährigen) übertragen worden. Weitere Änderungen der Unternehmenssatzung sind erst nach dem hier streitigen Zeitraum erfolgt.
Organe der Beklagten sind der Vorstand und der Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat besteht aus den Mitgliedern des Kreisausschusses (dem Vorgängerorgan des jetzigen Hauptausschusses nach §§ 74 ff. Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG -, Nds. GVBl. 2010, S. 576) des Beigeladenen sowie einem gewählten Vertreter der Beschäftigten; den Vorsitz führt der Landrat. Der Vorstand der Beklagten, dem die laufende Geschäftsführung obliegt, wird vom Verwaltungsrat bestimmt. Für einzelne, in der Satzung bestimmte Geschäfte bedarf der Vorstand der vorherigen Zustimmung des Verwaltungsrates. Eine Rückübertragung einzelner Aufgaben an den Beigeladenen oder ein entsprechendes Rückholrecht sind in der Unternehmenssatzung nicht vorgesehen.
Der Kläger nahm in der Zeit vom 15. November 2010 bis zum 6. Mai 2011 an der Maßnahme „Zurück in den Beruf II“ teil. Ausweislich des Abschlussberichts der B. vom 4. Mai 2011 hat der Kläger regelmäßig am Kurs teilgenommen. Er sei am Kursinhalt interessiert gewesen, habe gut mitgearbeitet und sich häufig positiv eingebracht. Er habe sich sehr aufgeschlossen gezeigt und sei bereit und motiviert gewesen, an seinen persönlichen und beruflichen Problemen zu arbeiten. Er verfüge über eine ausgezeichnete Sozialkompetenz. Im Rahmen der Maßnahme habe der Kläger zwei Praktika in Pflegeheimen mit ...