Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der pauschalierten fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes bei einem Selbständigen, der freiwillige Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hat

 

Orientierungssatz

1. Die fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes bei einem Selbständigen, der freiwillige Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet hat, ist nach § 152 i. V. m. § 341b S. 1 Nr. 2 SGB 3 zulässig und verfassungsgemäß. Dabei kann eine Einstufung aufgrund selbständiger Tätigkeit und erfolgter Weiterbildung in die Qualifikationsstufe 2 erfolgen.

2. Arbeitslosengeld stellt einen Ersatz für den ausfallenden Lohn während der Arbeitslosigkeit dar. Deshalb ist es sachgerecht, zu differenzieren, für welche Art von Beschäftigung abhängig von der hierfür notwendigen Qualifikation eine Arbeitsvermittlung in Betracht kommt.

3. Eine einheitliche Pauschalierung der Beiträge unter Berücksichtigung der Verwaltungspraktibilität ist sinnvoll und notwendig. Für die Höhe des Arbeitslosengeldes ist nicht allein maßgeblich, welche Beiträge eingestellt wurden, sondern auch, in welche Beschäftigung eine Vermittlung möglich ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Gewährung höheren Arbeitslosengelds für die Zeit vom 23.12.2016 bis 02.04.2017. Der begehrte Anspruch läge ca. 6 EUR pro Tag höher, so dass insgesamt ein Betrag von ca. 280 EUR im Streit steht.

Der am 25.11.1955 geborene Kläger betrieb seit 2011 ein Gewerbe und zwar den Handel mit Baumaschinen. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 07.03.2011, Bl. 17 der eAkte. Gleichzeitig bezog der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der DRV Braunschweig-Hannover. In der Zeit vom 06.11.2015 bis 13.11.2015 bezog der Kläger Krankengeld von der E. Betriebskrankenkasse, F. (Bescheinigung vom 29.12.2016, Bl. 19 der E-Akte). Nach dieser Bescheinigung lag ein weiterer Krankengeldbezug in der Zeit vom 15.01.2016 bis 17.05.2016 vor.

Am 22.11.2016 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 11.01.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger die beantragten Leistungen für die Zeit vom 23.12.2016 bis 21.12.2018 bei einem täglichen Leistungsbetrag von 12,61 EUR.

Mit Schreiben vom 11.03.2017 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.01.2017 ein. Diesen Widerspruch legte die Beklagte zusätzlich als Antrag nach § 44 SGB X aus und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2017 als unzulässig zurück (Fristversäumnis).

Mit Bescheid vom 21.03.2017 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 11.01.2017 ab. Die angewandte fiktive Berechnung der Leistungshöhe wurde in einem (zusätzlichem) Schreiben vom 21.03.2017 erklärt. Der Kläger sei als Meister in Qualifikationsgruppe 2 einzustufen. Mit Bewilligungsbescheid vom 21.03.2017 gewährte die Beklagte für die Zeit vom 23.12.2016 bis 21.12.2018 19,39 EUR täglich. Der Leistungssatz wurde bei den Berechnungsgrundlagen auf 42,17 EUR festgesetzt. Hiervon wurde ein Anrechnungsbetrag in Höhe von 22,76 EUR abgesetzt. Mit Bescheid vom 03.04.2017 hob die Beklagte die Leistungsgewährung wegen Aufnahme einer Beschäftigung ab 03.04.2017 auf.

Mit Schreiben vom 11.04.2017 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 03.04.2018 Widerspruch ein. Die Einstufung als Meister in die Qualifikationsgruppe 2 könne nicht richtig sein. Er habe Weiterbildungen im technischen-, kaufmännischen und im Managementbereich absolviert. Zudem sei eine Gleichbehandlung mit Personen aus der Qualifikationsstufe 1 wegen gleicher Höhe der Beiträge geboten.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2017 zurück (W 1340/17). Eigentlich sei der Kläger in Qualifikationsstufe 3 einzustufen. Wegen der selbstständigen Tätigkeit und den Weiterbildungen sei aber eine Einordnung in Qualifikationsstufe 2 erfolgt. In dieser sei von einem Jahreswert in Höhe von 34.860 EUR (Wert 2016) auszugehen, was (geteilt durch 360) ein Bemessungsentgelt von 96,83 EUR und einen Leistungsbetrag in Höhe von 42,17 EUR ergebe. Der Widerspruchsbescheid wurde laut Verwaltungsakte am 19.04.2017 abgesandt.

Die Gewährung des (höheren) Betrags aus dem Widerspruchsbescheid setzte die Beklagte im Änderungsbescheid vom 16.05.2017 um. Mit diesem Bescheid gewährte die Beklagte einen täglichen Leistungssatz in Höhe von 42,16 EUR (ohne Anrechnungsbetrag).

Gegen den Bescheid vom 21.03.2017 (Bewilligungsbescheid) in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17.04.2017 in der Geschalt des Änderungsbescheids vom 16.05.2017 hat der Kläger am 24.05.2017 Klage erhoben. Er habe durch selbstständige Tätigkeit die Qualifikation eines Geschäftsführers erworben und sei deshalb in Qualifikationsgruppe 1 einzustufen. Zudem beruft er sich erneut auf Gleichbehandlung (AGG), da von allen selbstständig Tätigen freiwillig Versicherten der gleiche Beitrag gefordert werde.

Der Kläger be...

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