Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung der verbliebenen Folgen eines Arbeitsunfalls - vorläufige Verletztenrente - Versichertenrente auf unbestimmte Zeit
Orientierungssatz
1. Nach § 62 Abs. 1 SGB 7 soll die aufgrund eines Versicherungsfalls bewilligte Verletztenrente während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall als vorläufige Rente festgesetzt werden, wenn der Umfang der Rente noch nicht abschließend festgestellt werden kann.
2. Maßgeblich für die danach auf unbestimmte Zeit nach § 62 Abs. 2 SGB 7 festzusetzende Rente ist die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
3. Hinsichtlich der verbliebenen Unfallfolgen und deren Bewertung gilt der Grundsatz der objektiven Beweislast.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2018 sowie den Bescheid vom 23.10.2018 wird abgeändert.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.02.2016 auch für den Zeitraum vom 19.03.2019 bis 29.03.2020 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente.
Der am E.. F..1997 geborene Kläger erlitt am 18.02.2016 während einer Klassenfahrt beim Skifahren in Österreich rechtseitig eine vordere Kreuzbandruptur mit Riss des Außenmeniskushinterhorns im Ansatzbereich. Während des stationären Aufenthaltes vom 08.03.2016 bis 15.03.2016 wurde am 08.03.2016 wurde eine vordere Kreuzbandersatzplastik sowie eine Außenmeniskusteilresektion durchgeführt. Nachfolgend bestand wieder Schulfähigkeit; dem Kläger wurde eine Personenbeförderung für die Wege zur Schule und zurück mit dem Taxi gewährt.
Ab dem 25.04.2016 wurde eine erweiterte ambulante Physiotherapie durchgeführt. Eine kernspintomographische Untersuchung (MRT) vom 09.06.2016 zeigte einen Reizerguss. Klinisch bestand ein leichtes Schubladenphänomen, ferner entwickelte sich eine Atrophie der Oberschenkelmuskulatur rechts im Seitenvergleich von 3,5 cm sowie ein Streckdefizit von 10 Grad mit weichem Anschlag (Berichte des Durchgangsarztes Dr. G. vom 22.06.2016 und 11.08.2016). Ein weiteres MRT vom 18.08.2016 zeigte ein Transplantatversagen, so dass im Rahmen der stationären Behandlung vom 22.12.2016 bis 24.12.2016 eine vordere Revisions-Kreuzbandplastik durchgeführt wurde. Bei der Nachuntersuchung am 17.01.2017 bestand eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit Ergussbildung. Mit Kontroll-MRT vom 31.01.2017 wurde ein Riss-Rezidiv ausgeschlossen. Der Kläger gab am 07.03.2017 immer schlimmer werdende Beschwerden an. Es bestand ein Streckdefizit von 10 Grad; die Beugung war bis 120 Grad möglich.
Ab dem 01.08.2016 begann der Kläger eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Ab dem 11.11.2016 war der Kläger arbeitsunfähig. Die Ausbildung wurde im weiteren Verlauf abgebrochen.
Am 27.03.2017 erstatteten Dr. H. und drs. I. ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten. Aufgrund der erhobenen Befunde wurden als Unfallfolgen eine deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit Beugedefizit auf 85 Grad, eine leichte Umfangsminderung und Kraftminderung am rechten Oberschenkel, eine allenfalls mäßiggradige vordere Instabilität im rechten Kniegelenk, eine deutliche Belastungsminderung im rechten Bein sowie Narbenbildung nach operativer Behandlungen festgestellt. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde im Zeitraum vom 18.02.2016 bis 20.03.2017 gestaffelt zwischen 100 v.H. und 30 v.H. eingeschätzt. Ab dem 21.03.2017 wurde die MdE mit 20 v.H. eingeschätzt.
Aufgrund persistierender Beschwerden erfolgte am 30.05.2017 ein weiteres Kontroll-MRT, das den Nachweis einer Transplantatruptur zeigte. Im Rahmen einer arthroskopischen Operation am 18.08.2017 wurde eine Teilresektion des vorderen Kreuzbandes mit Chondroplastik durchgeführt. Bei der durchgangsärztlichen Vorstellung am 14.09.2017 gab der Kläger eine leichte Besserung der Beschwerden an. Es bestand eine Beugefähigkeit bis 110 Grad ohne Zeichen einer Instabilität. Am 09.10.2017 bestand eine Beugefähigkeit bis 100 Grad mit leichtem Streckdefizit von 5 Grad. Der Kläger war wieder arbeitsfähig.
Seit August 2017 besuchte der Kläger ein Wirtschaftsgymnasium.
Am 11.01.2018 erstatteten Dr. H. und drs. I. ein weiteres Gutachten. Es bestand eine Beugeeinschränkung auf 115 Grad ohne Streckdefizit sowie eine leichte- bis mäßiggradige Instabilität. Die Gutachter schätzten die Unfallfolgen unter Beibehaltung der bereits vorgeschlagenen Staffelung ab dem 04.10.2017 weiterhin mit einer MdE von 20 v.H. ein und empfahlen eine Neubewertung nach Ablauf des 3-Jahres-Zeitraumes.
Mit Bescheid vom 27.02.2018 wurde dem Kläger der Unfall vom 18.02.2016 als Arbeitsunfall anerkannt und dem ab dem 19.02.2016 eine Rente als vorläufige Entschädigung gewährt, und zwar gestaffelt nach einer MdE von