Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliche Krankenpflege. Rückerstattungsforderung der Krankenkasse wegen des vertragswidrigen Einsatzes einer Arzthelferin. Zulässigkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist im Versorgungsvertrag. Fahrlässigkeit kein Betrugstatbestand nach § 263 Abs 1 StGB

 

Orientierungssatz

1. Ein Vertrag über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege zwischen einer Krankenkasse und einem Pflegedienst kann die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB dahingehend abdingen, dass der Vergütungsanspruch des Pflegedienstes und der Erstattungsanspruch der Krankenkasse jeweils nach einem Jahr verjähren.

2. Auch der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse wegen vertragswidrigen Verhaltens fällt unter diese verkürzte Verjährung.

3. Die kurze Verjährungsfrist ist auch für die Aufklärung vertragswidrigen Verhaltens durch den Pflegedienst nicht unsachgemäß kurz.

4. Der subjektive Tatbestand von § 263 Abs 1 StGB ist nicht erfüllt, wenn ein vorsätzliches Handeln nicht feststellbar ist (hier: Einsatz einer Arzthelferin bei Leistungen der Behandlungspflege ohne nochmalige Überprüfung der vertraglichen Vereinbarungen).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um eine im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten Erstattungsforderung der Beklagten.

Die Klägerin ist Inhaberin eines Pflegedienstes und erbringt an Versicherte der Beklagten u.a. Leistungen nach § 37 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Die Beklagte sowie weitere nicht am Rechtsstreit beteiligte Krankenkassen schloss mit einer Vielzahl von Pflegediensten, u.a. auch mit der Klägerin, inhaltlich gleichlautende Verträge “gemäß §§ 132 und 132 a Abs. 2 SGB V über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie zur Erbringung von Leistungen nach §§ 198 und 199 RVO (Häusliche Pflege bzw. Haushaltshilfe)„. Die Verträge traten am 1. Januar 2000 in Kraft, bestehen ungekündigt fort und beinhalten u. a. folgende Regelungen:

§ 12 Behandlungspflege

Behandlungspflegerische Leistungen des Pflegedienstes sind diejenigen Maßnahmen, die in dem Vergütungssystem als Behandlungspflegen I - V bezeichnet sind. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die auf der Grundlage einer medizinischen Indikation im Rahmen eines individuellen Behandlungsplanes verordnet werden. Behandlungspflege darf ausschließlich von Pflegefachkräften nach §§ 20 - 22 ausgeführt werden.

§ 16 Organisatorische Voraussetzungen

(8) Der Pflegedienst hält eine Liste über das eingesetzte Personal mit Namen, Qualifikation und Handzeichen vor.

(9) Der Träger des Pflegedienstes hat eine Mitarbeiterdokumentation, die u. a. die gültigen Arbeitsverträge sowie Nachweise über die Qualifikation, Fortbildung und Sozialversicherung der MitarbeiterInnen enthält, entsprechend den datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu führen und Personaleinsatz-/Tourenpläne zu erstellen. Diese Unterlagen sind mindestens drei Jahre nach Beendigung der Beschäftigung aufzubewahren.

(10) Auf Wunsch der Krankenkasse ist dieser Einsicht in die Unterlagen (ausgenommen die  Angaben zur Entlohnung) nach Abs. 8 und 9 zu gewähren.

§ 22 Pflegefachkräfte

Der Pflegedienst hat neben einer verantwortlichen Pflegefachkraft und ihrer Vertretung ständig mindestens eine sozialversicherungspflichtige Pflegefachkraft (Krankenschwester/-Pfleger, Kinderkrankenschwester/-pfleger, Altenpflegerin/-pfleger) zu beschäftigen. Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht sind Eigentümer und Gesellschafter, die hauptberuflich im Pflegedienst mitarbeiten, sowie Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Kirchenbeamte gleichgestellt.

§ 23 Pflegekräfte und sonstiges Personal

(1) Der Pflegedienst kann für die Leistungen der Grundpflege Facharbeiterinnen für Krankenpflege, Krankenpflegehelferinnen und/oder Altenpflegehelferinnen einsitzen, die unter Anleitung und Verantwortung einer Pflegefachkraft tätig werden.

(2) Die Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung können von geeigneten Mitarbeitern des Pflegedienstes erbracht werden. Auch diese werden unter Anleitung und Verantwortung einer Pflegefachkraft tätig.

(3) Der Anteil der Pflegedienstleistungen, der durch geringfügig Beschäftigte erbracht wird, darf 20 % nicht übersteigen.

§ 26 Leistungsnachweis

(1) Der Pflegedienst hat die nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen in dem Leistungsnachweis (Anlage 2) aufzuzeigen. Dieser beinhaltet:

·

Name des Versicherten,

·

Krankenversichertennummer,

·

Bundeseinheitliches Institutionskennzeichen des Pflegedienstes,

·

Art und Menge der Leistung,

·

Tagesdatum und -zeit (früh, mittags, abends, nachts) der Leistungserbringung.

Es können auch andere Formulare verwendet werden als in der Anlage vorgegeben, wenn sie vergleichbar mit diesem sind und alle Inhalte und Kriterien des § 26 erfüllen.

(2) Alle vom Pflegedienst durchgeführten Leistungen sind im Leistungsnachweis täglich von der jeweiligen Pflegekraft/Pflegefachkraft durch Handzeichen, entsprechend der in der Einrichtung hinterlegten Kürzelliste, einzutragen, durch den Pflegebedürfti...

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