Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit. Vermögensminderung. Kauf eines selbst genutzten Hausgrundstück während der Arbeitslosigkeit vor Antragstellung nach SGB 2. Begriff des sozialwidrigen Verhaltens als Tatbestandsmerkmal
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Bestehens eines Ersatzanspruchs i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung und der (fehlenden) Sozialwidrigkeit des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrags und der Entrichtung des Kaufpreises neun Monate vor Beantragen der Leistungen nach dem SGB II.
Tenor
Der Bescheid vom 04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2010 (W ) wird aufgehoben.
Der Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ersatzpflicht des Klägers nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung (a. F.).
Der 1960 geborene Kläger war von 1987 bis 2005 als Betriebsmonteur/Schaltwerker in einem Umspannwerk tätig. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Umstrukturierung des Unternehmens durch Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung von 100.000,00 Euro an den Kläger. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Kläger noch Räume im Haus seiner 1921 und 1927 geborenen Eltern in der Gemeinde A.
Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 16.02.2006 Arbeitslosengeld vom 01.01.2006 bis 30.06.2007. Der tägliche Leistungsbetrag belief sich auf 38,36 Euro. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld bewarb sich der Kläger um neue Arbeitsstellen und nahm an mehreren Vorstellungsgesprächen teil, z. B. für eine Stelle in P bei den Stadtwerken (Entfernung zum Wohnsitz ca. 60 km), in B (Entfernung ca. 25 km) und in L (Entfernung zum Wohnsitz ca. 22 km).
Am 26.01.2007 schloss der Kläger einen notariellen Grundstückskaufvertrag über ein 1.859 m² großes Grundstück, das mit einem Einfamilienwohnhaus und Nebengelassen bebaut ist, zu einem Preis von 175.000,00 Euro. Das um die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts errichtete Haus wurde in den 1970er Jahren modernisiert. 1993/1994 wurde es saniert. Es verfügt über eine Fassadenisolierung, neue Fenster und eine moderne Gasheizungsanlage. Von der Fläche des Hauses von ca. 75 m² sind rund 70 m² Wohnfläche (3 Zimmer, Küche, Bad). Die Nutzungsart des in A, Ortsteil K, gelegenen Grundstücks laut Grundbuch sind Gebäude- und Freifläche, Land- und Fortwirtschaft. Das Grundstück grenzt direkt an den M. Ein Baurecht für eine Nutzung des Sees vom Grundstück des Klägers aus besteht wegen eines Rückübertragungsanspruchs bezüglich einer Teilfläche des Sees derzeit nicht. Der See ist jedoch vom Grundstück aus zugänglich. Nach Auskunft der Gemeinde A ist eine Teilung des teilweise im Außenbereich liegenden und teilweise dem Innenbereich zuzuordnenden Grundstücks zwar möglich. Wegen der fehlenden Erschließung und der Nutzungsbeschränkung ist eine Verwertbarkeit der entstehenden Teilfläche jedoch nicht gegeben (vgl. VA Bl. 116). Für das Begleichen des Kaufpreises verwendete der Kläger neben der Abfindung auch einen nicht geringen fünfstelligen Geldbetrag, der ihm von seinen Eltern mit dem Zweck des Grundstückserwerbs zugewandt worden war.
Mit am 07.05.2007 dem Kläger ausgehändigten Antragsunterlagen und am 19.06.2007 von dem Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden: der Beklagte) entgegengenommenen ausgefüllten Formularvordrucken beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er brachte zum Ausdruck, dass er bei dem Beklagten als arbeitsuchend geführt werden wolle. In einem Vermerk hielt ein Mitarbeiter des Beklagten fest, dass der Kläger im Rahmen der Antragstellung angeben hatte, in Januar 2007 ein Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises in bar erworben zu haben und im Januar 2007 ein Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises in bar erworben zu haben und über einige Sparkonten mit jeweils vierstelligen Beträgen zu verfügen, von denen er bei einer Leistungsablehnung seinen Lebensunterhalt und die Sozialversicherung bestreiten wolle. Der Kläger kündigte in diesem Gespräch eine erneute Antragstellung in ca. sechs Monaten an, wenn er in dem von ihm erworbenen Haus wohnen werde. Durch Bescheid vom 25.06.2007 lehnte der Beklagte die Leistungen ab, da der Kläger seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne.
Einen weiteren Antrag auf Leistungen des Klägers vom 29.06.2007 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 04.07.2007 ab.
Am 01.10.2007 beantragte der Kläger erneut Grundsicherungsleistungen bei dem Beklagten. Als Wohnsitz gab er nun die Anschrift des von ihm erworbenen Grundstücks an, für das Nebenkosten und Kosten für die Belieferung mit Gas zum Heizen zu entrichten waren. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Eigentümer im Grundbuch vermerkt. Nach Feststellung eines anrechenbaren Vermögens von 1.688,24 Euro, d...