Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsungspflicht zu gewährender Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Nach § 44 Abs. 1 SGB 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 % zu verzinsen. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 fallen als Sozialleistungen unter die Verzinsungsvorschrift.
2. Der Gesetzgeber hat die Leistungen des SGB 2 nicht von der Verzinsungspflicht ausgenommen. Der Normzweck der Verzinsung ist der Ausgleich einer verspäteten Zahlung.
3. Die Verzinsung beginnt nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags. Enthält ein gerichtlicher Vergleich keinerlei Ausführungen zu einer Verzinsung, so ist ein stillschweigender Ausschluss der Verzinsung zu verneinen.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 30. September 2014 Zinsen zu gewähren.
Der Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages.
Die Klägerin wurde 1988 geboren und bezog Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch - Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens zum Aktenzeichen S XX verpflichtete sich der Beklagte im Rahmen eines Erörterungstermins vom 15. Juli 2014 zur Neuberechnung der Leistungen an die Klägerin im Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 28. März 2011.
Aufgrund der Neuberechnung gewährte der Beklagte der Klägerin auf ihren ursprünglichen Antrag vom 2. November 2010 für den obigen Zeitraum höhere Leistungen und überwies der Klägerin am 8. September 2011 einen Betrag in Höhe von 1.007,12 €.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2014 beantragte die Klägerin die Verzinsung gemäß § 44 des Ersten Buches - Sozialgesetzbuch (SGB I) des nachgezahlten Betrages.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass die Fälligkeit erst mit Abschluss des Klageverfahrens eingetreten sei und somit keine Verzinsung möglich sei.
Den Widerspruch der Klägerin vom 8. Oktober 2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2014 zurück. Zur Begründung führte er nunmehr aus, dass eine Verzinsung nur bei Ansprüchen auf Sozialleistungen geboten sei, wenn der Berechtigte ein eigenes Leistungsäquivalent erbracht habe. Im Rahmen einer aus Steuermitteln finanzierten Nothilfe sei kein Raum für eine Verzinsung.
Mit der am 4. Dezember 2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass eine einschränkende Auslegung von § 44 SGB I nicht geboten sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 7. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Zinsen in Höhe von 141,90 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die zugrunde liegenden Bescheide und auf seine Erfahrungen im Rahmen von Erörterungsterminen vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder.
Entscheidungsgründe
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrages nach § 44 SGB I. Der Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2014 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin nach § 54 Abs. 2 SGG.
Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für ihre Bedarfe hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und des Regelbedarfs nach SGB II sind Geldleistungen im Sinne der Vorschrift. Nach § 11 Satz 1 SGB I sind Gegenstand der sozialen Rechte u.a. die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Geldleistungen. Hierbei handelt es sich um Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB I, 87. Ergänzungslieferung September 2015, § 44 Rn. 3). Das sind Ansprüche eines Bürgers gegen einen Leistungsträger, mit denen soziale Rechte im Sinne der §§ 2 bis 10 und 18 bis 29 SGB I erfüllt werden (vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 18. Dezember 1979 - 2 RU 3/79; juris.de). Nach § 19 a SGB I sind die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Sozialleistung, deren Träger der Beklagte ist.
Die von dem Beklagten vorgeschlagene teleologische Reduktion des Wortlautes kann das Gericht nicht überzeugen. Es bleibt zwar dem Gesetzgeber unbenomme...