Entscheidungsstichwort (Thema)
Legasthenietherapie. keine Zuständigkeit des Krankenversicherungs- und Rehabilitationsrechts
Orientierungssatz
Die Legasthenietherapie gehört nicht zu den Leistungen des Krankenversicherungs- und Rehabilitationsrechts, sondern in die Zuständigkeit des Jugendhilferechts.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 wird abgewiesen.
II. Der Streitwert wird auf 2000,- EUR festgesetzt.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Legasthenietherapie bei der Beigeladenen.
Die Beigeladene beantragte durch ihre Eltern als gesetzliche Vertreter am 14.09.03 beim Kläger die Übernahme von Therapiekosten für eine durchzuführende Legasthenietherapie. Zugrunde lag die Stellungnahme des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr. S. vom 19.09.02, in dem eine Legasthenie im Sinne von ICD 10 F81.0 diagnostiziert wurde. Dr. S. bescheinigte bei der Beigeladenen eine drohende seelische Behinderung bei Nichtdurchführung einer Legasthenietherapie. Diese Empfehlung wurde durch das Staatliche Schulamt im Landkreis Schwandorf mit Schreiben vom 30.10.02 bestätigt. Mit Bescheid vom 01.12.03 wurden durch den Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe die Therapiekosten für eine Legastheniebehandlung von vorläufig 30 Sitzungen übernommen. Bei der Krankenkasse wurde Erstattungsanspruch angemeldet. Nachdem durch den Kläger auf die vorrangige Zuständigkeit der Beklagten hingewiesen wurde, stellte die Beigeladene am 17.11.03 bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Legasthenietherapiekosten.
Dieser Antrag wurde durch die Beklagte mit Bescheid vom 24.11.03 abgelehnt mit Hinweis darauf, dass die Legasthenietherapie nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen umfasst sei.
Gegen diesen Bescheid erhob das Landratsamt Schwandorf in Vertretung des Landkreises Widerspruch am 01.12.03 und meldete gleichzeitig eine Kostenerstattung bei der Beklagten an. Die beantragte Kostenerstattung wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 04.12.03 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, die Angelegenheit nochmals zu überdenken. Nachdem der Widerspruch seitens des Klägers aufrecht erhalten blieb, erging am 10.02.04 Widerspruchsbescheid durch die Beklagte. Im Widerspruchsbescheid wurde nochmals auf die Heilmittel-Richtlinien hingewiesen, nach denen eine Störung der Lese- und Rechtschreibschwäche ausgeschlossen sei für eine Kostenübernahme. Ein Mangel des gesetzlichen Leistungssystems der Krankenversicherung liege nicht vor. Die geltenden Richtlinien seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als bindend anzusehen.
Mit Klage vom 16.02.04 verfolgt der Kläger sein Ansinnen auf Kostenerstattung bezüglich der Legastheniebehandlung für die Beigeladene durch die Beklagte weiter. In der Klageschrift wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Legasthenietherapie um eine medizinische Rehabilitation gemäß § 27 SGB Fünftes Buch (SGB V) handele. Damit sei eine Einstandpflicht der beklagten Krankenkasse gegeben. Das Gericht hat mit Beschluss vom 17.03.04 zum Verfahren das von der Therapie betroffene Kind J. E. beigeladen. Des Weiteren erfolgte unter dem 17.03.04 die Anfrage an den Gemeinsamen Bundesausschuss, inwieweit eine Legasthenietherapie durch die Heilmittel-Richtlinien erfasst seien. Mit Antwortschreiben vom 20.08.04 teilte der Gemeinsame Bundesausschuss mit, dass nach seiner Ansicht die Legasthenie durch die Heilmittel-Richtlinien erfasst würden und bei Überarbeitung dieser Richtlinien auch bedacht wurde, dass zum Juli 2001 das Behindertenrecht als SGB IX neu in das Sozialgesetzbuch aufgenommen worden ist. Auch aus diesem Gesetz heraus ergebe sich keine Pflicht, die Legasthenietherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (als Rehabilitationsträger) zu übernehmen. In der mündlichen Verhandlung wies die Beigeladene darauf hin, dass die Legasthenietherapie beim Lerninstitut für Orthographie und Schreibtechnik (LOS) vorerst abgeschlossen sei und auch nicht beabsichtigt sei, diese in nächster Zeit wieder aufzunehmen. Die angefallenen Kosten würden sich auf ca. 2000,- EUR belaufen.
Der Vertreter des Klägers beantragte,
den Bescheid vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die angefallenen Kosten der Legasthenietherapie zu erstatten.
Der Beklagtenvertreter beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, sowie die Verwaltungsakte des Klägers. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Zwar hat der Kläger bei der Beklagten die verauslagten Kosten als Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. SGB Zehntes Buch (SGB X) angemeldet, jedoch...