Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Kostenentscheidung nach Erledigung. Veranlassung zur Klageerhebung. Bearbeitung von vier von fünf Widersprüchen desselben Tages durch die Behörde. Verpflichtung zur Nachfrage hinsichtlich des fünften Widerspruchs. Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme
Leitsatz (amtlich)
Wenn über vier von fünf Widersprüchen vom selben Tag innerhalb eines Monats entschieden wird und zum fünften Widerspruch keinerlei Rückmeldung des Beklagten erfolgt, müssen sich der oder die Widerspruchsführer die Frage stellen, ob hinsichtlich des fünften Widerspruchs irgendetwas schief gelaufen ist. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet bei einer solchen Einzelfallkonstellation zur Nachfrage.
Tenor
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten nach Erledigung einer Untätigkeitsklage um die Erstattung außergerichtlicher Kosten.
Die Kläger stehen im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Am 23.06.2017 erging für alle Kläger der an den Kläger Nr. 1 adressierte Änderungsbescheid betreffend die Leistungsgewährung für Juli und August 2017 (Bl. 1836 VA). Am 26.06.2017 erließ der Beklagte vier an alle Kläger einzeln gerichtete Erstattungsbescheide bei endgültiger Leistungsfestsetzung betreffend die Leistungszeiträume September 2016 bis Februar 2017, beim Kläger Nr. 4 nur Februar 2017 (Bl. 1855, 1857, 1859 und 1862 VA).
Am 17.07.2017 verfasste der Bevollmächtigte der Kläger fünf Widerspruchsschreiben. Vier davon betrafen die vier Erstattungsbescheide vom 26.06.2017 (Bl. 1869, 1873, 1875 und 1877 VA). Ein Widerspruch betraf den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 (Bl. 7 Gerichtsakte). Alle fünf Widersprüche wurden vom Bevollmächtigten der Kläger per Fax an den Beklagten gesandt. Nur die vier gegen die Bescheid vom 26.06.2017 gerichteten Widersprüche gelangten in die laufende Bearbeitung beim Beklagten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2017 (Bl. 1909 VA) entschied der Beklagte (unter Einbeziehung früherer Widersprüche gegen Bescheide vom April 2017) über die Widersprüche gegen die vier Bescheide vom 26.06.2017.
Am 18.10.2017 haben die Kläger wegen des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 23.06.2017 beim Sozialgericht Reutlingen Untätigkeitsklage erhoben.
Der Beklagte hat den Zugang dieses Widerspruchs vor dem Zugang der Untätigkeitsklage bestritten und mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2017 (Bl. 2184 VA) den Widerspruch wegen Fristversäumung und fehlender Regelung zum geltend gemachten Mehrbedarf bei dezentraler Wasserversorgung als unzulässig verworfen. Ergänzend hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Mehrbedarf nicht bestehe, da eine Trennung zwischen Heiz- und Haushaltsstrom nicht möglich sei.
Die Kläger haben daraufhin die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und eine Kostengrundentscheidung beantragt. Sie haben den Sendebericht zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.06.2017 vorgelegt (Bl. 18 Gerichtsakte), der folgenden Inhalt hat:
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Empfänger |
Startzeit |
Zeit |
Drucke |
Ergebnis |
Hinweis |
(...) (...) |
17-07 13:43 17-07 13:52 |
00:05:03 00:02:06 |
001/004 003/004 |
Cont OK |
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Daraus sei ersichtlich, dass die erste Seite erfolgreich übermittelt worden und das Fax dann mit den Seiten 2 bis 4 in einem neuen Zustellversuch fortgesetzt worden sei (Cont im Faxbericht). Sodann seien die Seiten 2 bis 4 erfolgreich übermittelt worden. Nicht erfolgreich übermittelte Seiten würden mit dem Hinweis NG, NO Ans, Busy o.ä. Vermerkt. Zuerst habe der Beklagte den Eingang des Widerspruchs in vollem Umfang bestritten, nunmehr einzelne Seiten des Widerspruchs. Diese Schutzbehauptungen seien nicht zielführend und realitätsfern.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
zu entscheiden, dass keine außergerichtliche Kosten zu erstatten sind.
Der Beklagte trägt vor, auf das von den Klägern vorgelegte Sendeprotokoll sei nunmehr der Eingang eines unvollständigen Telefaxes der Gegenseite vom 17.07.2017, bestehend aus Seiten 2 bis 4 des streitgegenständlichen Widerspruchsschreibens festgestellt worden. Die erste Seite des Widerspruchsschreibens sei dagegen per Telefax nie eingegangen. Dies decke sich mit dem Sendeprotokoll, das hinsichtlich der nicht übermittelten Seite 1 des Widerspruchsschreibens eine Fehlermeldung ausweise. Die fehlerfreie Übermittlung des vollständigen Widerspruchs per Telefax liege im Verantwortungsbereich der Kläger, dies insbesondere dann, wenn bereits aus dem Sendeprotokoll heraus Anlass zu Zweifeln an einer fehlerfreien Übermittlung bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil be...