Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II. Nichtabschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Strafcharakter der Sanktion. gleichzeitiger Ersetzungsbescheid. unechter Austauschvertrag. Bestimmtheit des Sanktionsbescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sanktionen des § 31 SGB 2 haben Strafcharakter und sind in ihrem Bestand daher unabhängig davon, ob der Hilfebedürftige während des Sanktionszeitraumes sein sanktionsauslösendes Fehlverhalten korrigiert.
2. Der Verhängung von Sanktionen wegen der Weigerung, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, steht weder die Möglichkeit des Leistungsträgers, die Regelungen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt zu erlassen, noch der tatsächlich erfolgte Erlass der Regelungen durch Verwaltungsakt entgegen. § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 und § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 2 sind nebeneinander anwendbar.
3. Die sanktionsauslösende Weigerung, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, kann auch konkludent, etwa durch bloßes Hinauszögern, erfolgen. Sie erfolgt ausdrücklich, wenn der Hilfebedürftige einen eigenen Vorschlag für eine Eingliederungsvereinbarung unterbreitet.
4. Eingliederungsvereinbarungen sind sogenannte unechte Austauschverträge im Sinne von § 55 Abs 1 SGB 10, auf die § 53 Abs 2 SGB 10 keine Anwendung findet.
5. Ein Sanktionsbescheid, in dem die Leistungsabsenkung nur prozentual und der absolute Betrag nur mit einer Maximalhöhe angegeben ist, ist hinreichend bestimmt.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 1. Februar 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Januar 2008 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer Sanktionsverhängung für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 30. April 2008 aufgrund der Weigerung des Antragstellers, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Der Antragsteller ist am ... geboren. Er bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Am 26. April 2006 übergab die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung zur Unterzeichnung und bat um Rückgabe bis zum 5. Mai 2006. Der Antragsteller reichte die Vereinbarung nicht an die Antragsgegnerin zurück.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2006 richtete der Antragsteller zahlreiche Fragen zum Komplex “Eingliederungsvereinbarung„ an die Antragsgegnerin.
Am 2. Juli 2007 sprach der Antragsteller persönlich bei der Antragsgegnerin vor. Dabei wurde vereinbart, dass er die Eingliederungsvereinbarung bis zum 5. August 2007 unterzeichnet zurückgibt.
Mit Schreiben vom 10. August 2007 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin aufgefordert, sich zum Zwecke des Abschlusses der Eingliederungsvereinbarung persönlich bei ihr am 28. August 2007 zu melden.
Am 29. August 2007 legte der Antragsteller der Antragsgegnerin die Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 28. August 2007 vor. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde er aufgefordert, sich am 12. September 2007 persönlich bei der Antragsgegnerin zu melden.
Am 3. September 2007 legte der Antragsteller Widerspruch gegen das Schreiben vom 29. August 2007 ein und suchte um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Die beschließende Kammer lehnte den Erlass auf einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 13. September 2007 rechtskräftig ab (Az.: S 2 AS 3464/07 ER).
Der Antragsteller erschien auch zum Meldetermin am 12. September 2007 nicht.
Mit Schreiben vom 14. September 2007 leitete die Antragsgegnerin die Anhörung des Antragstellers zu der Frage, ob das Arbeitslosengeld II abzusenken sei oder wegfalle, ein, weil er sich am 12. September 2007 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert habe, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. In der Einladung vom 29. August 2007 sei er ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es als Weigerung des Abschluss seiner Eingliederungsvereinbarung gewertet werde, falls er den Termin am 12. September 2007 nicht wahrnehmen solle.
Mit Bescheid vom 21. September 2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 31. März 2008 in Höhe von monatlich 675,47 €.
Mit Schreiben vom 27. September 2007 übersandte der Antragsteller der Antragsgegnerin einen selbst gefertigten Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung und bat um Unterzeichnung.
Am 28. September 2007 legte der Antragsteller der Antragsgegnerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 11. September 2007 bis zum 28. September 2007 vor.
Am 1. Oktober 2007 ging bei der Antragsgegnerin ein Schreiben des Antragstellers ein, mit dem er zwei von ihm selbst erstellte Eingliederungsvereinbarungen vorlegte. Am gleichen Tag wurde dem Antragsteller erneut eine Eingliederungsvereinbarung vorgelegt, deren Rücklauf er bis zum 10. Oktober 2007 zusagte.