Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Nichtberücksichtigung von Schulden. Freibetrag für Kinder kein Kinderfreibetrag. Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. kein fiktiver Vermögensverbrauch. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schulden führen nicht zu einer Verminderung des Vermögens iS von § 12 Abs 1 SGB 2; eine Saldierung von Aktiva und Passiva findet nicht statt.

2. Der Freibetrag des § 12 Abs 2 S 1 Nr 1a SGB 2 schützt nur das Vermögen des jeweiligen Kindes, mindert aber nicht das zu berücksichtigende Vermögen der Eltern, stellt also keinen den Eltern zugute kommenden Kinderfreibetrag dar.

3. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 liegt nur bei einer Befreiung nach § 6 SGB 6, nicht aber bei bloßer Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB 6 vor.

4. Der Leistungsträger darf dem Hilfebedürftigen dessen berücksichtigungsfähiges Vermögen Monat für Monat erneut entgegenhalten, solange und soweit es nicht tatsächlich verbraucht worden ist; eine lediglich fiktive Berechnung des Vermögensverbrauchs ist nicht statthaft.

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 26. Februar 2008.

Die Klägerin zu 1 ist am ... geboren. Sie lebt zusammen mit ihrem am ... geborenen Ehemann, dem Kläger zu 2, sowie den am ... bzw. am ... geborenen gemeinsamen Kindern, den Klägern zu 3 und 4, in einer Wohnung in ... Sie zahlen derzeit eine Miete in Höhe von monatlich 750 € sowie Nebenkosten in Höhe von monatlich 175 €.

Die Klägerin zu 1 verfügt über zwei fondgebundene Lebensversicherungen mit einem derzeitigen Rückkaufwert von mindestens 3.655,70 (Bl. 47 der Verwaltungsakte) bzw. mindestens 4.321,50 € (Bl. 49 der Verwaltungsakte). Außerdem verfügt sie über eine fondsgebundene Rentenversicherung, deren Begünstigter der Kläger zu 2 ist, und die einen derzeitigen Rückkaufwert von mindestens 1.902,19 € hat (Bl. 51 der Verwaltungsakte). Der Kläger zu 2 verfügt weiterhin über zwei fondsgebundene Lebensversicherungen mit einem derzeitigen Rückkaufwert von mindestens 3.842,90 € (Bl. 53 der Verwaltungsakte) bzw. 5.421 € (Bl. 55 der Verwaltungsakte) sowie einen Bausparvertrag mit einem Wert von mindestens 7.056,70 € (Bl. 45 der Verwaltungsakte). Für die Renten- und Lebensversicherungen ist ein Verwertungsausschluss nicht vereinbart. Der Kläger zu 2 hat zudem ein Girokonto mit einem Guthaben von 4.990,63 € (Stand: 4. März 2008; Bl. 9 der Verwaltungsakte). Die Klägerin zu 1 verfügt schließlich über ein Sparbuch mit einem Wert von 99,99 € (Stand: 14. März 2008; Bl. 8 der Verwaltungsakte) sowie ein Wertpapierdepot mit einem Gesamtwert von 1.799,99 € (Stand: 13. Februar 2008; Bl. 43 f. der Verwaltungsakte). Außerdem verfügen die Kläger noch über zwei sog. Riester-Renten (Bl. 56 der Verwaltungsakte). Die Kläger zu 1 und 2 erhalten für ihre Kindern Kindergeld in Höhe von insgesamt 308 € monatlich.

Am 26. Februar 2008 beantragte die Klägerin zu 1 Leistungen nach dem SGB II.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. April 2008 ab. Leistungen könnten nicht gewährt werden, da das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 33.357,34 € die Grundfreibeträge von 12.450 € übersteige.

Hiergegen legte die Klägerin zu 1 am 30. April 2008 Widerspruch ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10. Juni 2008 zurück. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei ein Vermögen von insgesamt 33.357,34 € nachgewiesen worden. Dem stehe ein Freibetrag in Höhe von 12.450 € gegenüber.

Mit ihren am 8. Juli 2008 erhobenen Klagen verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Ansicht, dass bei der Berechnung des Freibetrages auch die Grundfreibeträge für die beiden Kinder zu berücksichtigen seien. Zu berücksichtigendes Vermögen sei nur in Höhe von 13.818,86 € vorhanden. Die Lebensversicherungen und die Rentenversicherung seien als Altersvorsorge bestimmt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 2 Mietschulden in Höhe von 6.290,50 € habe. Dies müsse von dem Vermögen in Abzug gebracht werden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2008 zu verurteilen, ihnen ab dem 26. Februar 2008 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest und verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass sie der Ansicht sei, dass die Grundfreibeträge für die hilfebedürftigen Kinder sich nicht auf die Berücksichtigung des Vermögens der Eltern auswirkten. Lediglich der Freibetrag für notwendige Anschaffungen könne noch zusätzlich berücksichtigt werden und erhöhe den bisher ermittelten Freibetrag auf 13.950 €. Die Versicherungsver...

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