Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des Todeszeitpunktes eines Verschollenen durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Einstellung einer Rente
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Feststellung des Todeszeitpunktes im Rahmen des § 102 Abs 6 S 1 SGB VI ist grundsätzlich auf den wahrscheinlichsten Zeitpunkt des Versterbens abzustellen.
2. Die Todesfeststellung durch die gesetzliche Rentenversicherung ist für ihren Rechtsbereich grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der angenommene Todeszeitpunkt vor der Einführung des § 102 Abs 6 SGB VI liegt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger, handelnd durch seine Abwesenheitspflegerinnen, wendet sich gegen die Feststellung seines Todeszeitpunktes und die Einstellung von Rentenzahlungen durch die Beklagte.
Der am ... geborene Kläger gilt seit dem 21.07.2010 als verschollen, nachdem er von einem Bad im Bodensee nicht zurückkehrte. Er wird durch die seitens des Notariats ... II (Az.: II VG 5/2013) - seine Töchter .... - sowie des Amtsgerichts Oberndorf/Neckar (Az.: A 6 X 2/18) - die Rechtsanwältin ... - bestallten Abwesenheitspflegerinnen vertreten. Der Kläger erhielt zum Zeitpunkt des Eintritts der Verschollenheit eine Altersrente aus eigener Versicherung sowie eine Witwerrente nach seiner verstorbenen Ehefrau seitens der Beklagten.
Die Wasserschutzpolizei ... fand nach dem Verschwinden des Klägers keine Leiche oder sonstigen Spuren bezüglich seines Verbleibs. Die Krankenkasse des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 21.01.2013 mit, nach dem 21.07.2010 seien keine Leistungen im Vertragskonto des Klägers mehr gespeichert. Daneben befragte die Beklagte die Kinder des Klägers. ... erklärte nach einem Telefonvermerk der Beklagten vom 22.04.2013 zum Verbleib des Vaters nichts beitragen zu können und sei auch nicht Zeuge gewesen. ..., eine der Abwesenheitspflegerinnen, teilte mit Schreiben vom 28.04.2013 ebenfalls mit, persönlich nichts weiter beitragen zu können.
Nach Anhörung der Abwesenheitspflegerinnen und nach Verkündung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.04.2015 am 21.04.2015 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 583) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.2015 den Todestag des Klägers auf den 21.07.2010 fest und die Rentenzahlungen zum 31.05.2015 ein. Der Kläger sei vermutlich am 21.07.2010 bei einem Badeunfall zwischen S... und B... ertrunken. Für die Zeit danach gebe es bisher kein Lebenszeichen mehr. Es sei niemand bekannt, der den Kläger nach diesem Zeitpunkt lebend gesehen habe. Von seinem Girokonto seien danach keine von ihm getätigten Abhebungen mehr erfolgt und es seien auch seitens seiner Krankenkasse keine Leistungen für ärztliche Behandlungen oder Medikamente mehr erbracht worden. Die Feststellung des Todeszeitpunktes führe dazu, dass der Anspruch auf die bisher weitergezahlten Renten rückwirkend wegfalle und die Zahlungen zum 31.05.2015 eingestellt werden. Die zugrundeliegende Regelung des § 102 Abs. 6 Sozialgesetzbuch VI - SGB VI - sei auch auf Sachverhalte anzuwenden, die bereits vor ihrem Inkrafttreten bestanden haben.
Mit Schreiben vom 28.05.2015 erhoben die Abwesenheitspflegerinnen für den Kläger Widerspruch. Da ein Zeitraum betroffen sei, als § 102 Abs. 6 SGB VI noch nicht in Kraft war, sie diese Vorschrift nicht anzuwenden. Es sei vielmehr auf das Verschollenheitsgesetz - VerschG - abzustellen.
Mit Bescheid vom 05.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück.
Mit der hierauf am 02.03.2018 erhobenen Klage tragen die Abwesenheitspflegerinnen über den Widerspruch hinaus im Wesentlichen vor, die seitens der Beklagten genannten Gründe für die Festlegung des Todeszeitpunktes reichten nicht aus. So habe der Kläger auch mindestens 5 Jahre vor dem 21.07.2010 keine Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen. Aus physikalischen Gründen würde eine Leiche an der Wasseroberfläche auftauchen. Der Nachweis des Todes fehle. Die ergänzend zu den Töchtern bestallte anwaltliche Abwesenheitspflegerin reicht ergänzend ein von ihr erstelltes Schreiben vom 05.06.2018 an das Amtsgericht Oberndorf im dortigen Aufgebotsverfahren zur Todeserklärung (Az.: 3 UR II 5/15) herein. Danach seien bei dem Badeunfall zwei der vier Kinder des Klägers persönlich anwesend gewesen, so dass keine Zweifel daran bestünden, dass er bei dem Vorfall zu Tode kam. Seither gebe es kein Lebenszeichen mehr.
Der Kläger beantragt:
Der Bescheid vom 18.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2018 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Für den Kläger haben die Abwesenheitspflegerinnen unter Verweis auf das vorgenannte Aufgebotsver...