Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Prüfung einer Krankenhausabrechnung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Zahlung einer Aufwandspauschale nach dem 1.7.2014. Rückforderungsbegehren der Krankenkasse. Entgegenstehen von § 814 BGB sowie der Grundsätze von Treu und Glauben. keine Anwendung der §§ 109 Abs 5 und 325 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt eine Krankenkasse nach dem 1.7.2014 an einen Krankenhausträger eine Aufwandspauschale, kann sie diese nicht zurückverlangen, auch wenn der Zahlung eine erfolglos gebliebene Überprüfung einer Krankenhausabrechnung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zu Grunde lag.

2. Das Rückforderungsbegehren scheitert an der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 814 BGB.

3. Zum anderen steht dem Rückforderungsbegehren der Krankenkasse deren treuwidriges Verhalten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entgegen.

4. Die §§ 109 Abs 5 und 325 SGB 5 finden auf die Aufwandspauschale keine Anwendung, da es sich hierbei um keine Vergütung im Sinne der genannten Vorschriften handelt.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Vorliegend begehrt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihr gezahlten Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 €.

Die bei der Klägerin krankenversicherte ... wurde vom 16. bis 21.05.2014 in der Tropenklinik P.-L.-Krankenhaus, deren Trägerin die Beklagte ist, vollstationär behandelt.

Für diesen vollstationären Krankenhausaufenthalt stellte die Beklagte der Klägerin mit Rechnung vom 16.06.2014 einen Betrag i.H.v. 2.700,19 € (ohne Selbstbeteiligung) in Rechnung, der von der Klägerin auch in vollem Umfang bezahlt wurde.

Hierbei hatte die Beklagte unter anderem für die Hauptdiagnose den ICD-10-Kode R53 („akute Blutungsanämie“) und als Fallpauschale die Diagnosis Related Group (DRG) Q61E („Erkrankungen der Erythrozyten ohne komplexe Diagnose, ohne aplastischer Anämie, ohne äußerst schwere CC“) in Ansatz gebracht.

Mit Schreiben vom 18.06.2014 beauftragte die Klägerin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Abgabe einer gutachterlichen Stellungnahme zu den Fragen „Ist die DRG korrekt?“ und „Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?“. Dr. ... vom MDK gelangte in seinem Gutachten vom 19.09.2014 zu dem Ergebnis, sowohl Hauptdiagnose als auch DRG seien korrekt in Ansatz gebracht worden.

Die Beklagte stellte der Klägerin daraufhin mit der dort am 16.10.2014 eingegangenen Rechnung vom 15.10.2014 für die erfolglose MDK-Prüfung eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 € in Rechnung, die von der Klägerin am 30.10.2014 gezahlt wurde.

Gestützt auf mehrere Urteile des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 25.10.2016 forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2017 zur Erstattung der gezahlten Aufwandspauschale mit der Begründung auf, für den hier vorliegenden Fall einer sachlich-rechnerischen Rechnungsprüfung sei jedenfalls nach der für den Zeitraum bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage keine Aufwandspauschale zu zahlen.

Nachdem Erinnerungen vom 19.04. und 02.06.2017 erfolglos geblieben waren, hat die Klägerin am 06.11.2018 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Erstattung der gezahlten Aufwandspauschale nebst Zinsen hieraus zu verurteilen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, nach der Rechtsprechung des BSG bestehe ein Anspruch auf Aufwandspauschale nur dann, wenn eine Auffälligkeitsprüfung in Bezug auf das Wirtschaftlichkeitsgebot erfolgt sei. Die hier von ihr beauftragte Kodierungsprüfung betreffe aber nicht die Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung. Danach sei ein Anspruch der Beklagten auf die Aufwandspauschale nicht entstanden. Diese sei daher auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verpflichtet, ihr die gezahlte Aufwandspauschale zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 300,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.10.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, sie habe zu Recht eine Aufwandspauschale gegenüber der Klägerin abgerechnet. Die durch die Klägerin veranlasste Prüfung durch den MDK habe nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt. Nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) schulde die Klägerin daher die abgerechnete und von ihr vorbehaltlos bezahlte Aufwandspauschale.

Zudem handelt es sich bei der Überprüfung durch den MDK um eine Auffälligkeitsprüfung, nicht um eine sachlich-rechnerische Überprüfung. Weder der MDK noch die Klägerin hätten den Prüfauftrag als sachlich-rechnerische Überprüfung bezeichnet. Überdies impliziere die Frage nach der richtigen DRG zwangsläufig auch die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Verweildauer. Zweifel bei der Frage der Auslegung des Prüfauftrag...

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