Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 12.07.2000; Aktenzeichen 1 BvR 2260/97)

BSG (Urteil vom 14.05.1997; Aktenzeichen 6 RKa 25/96)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Kürzungen der Honoraranforderungen des Klägers für die Quartale 3 und 4/93 aufgrund des § 85 Abs. 4 b des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Aufgrund des in Artikel 2 Nr. 43 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz – GSG) vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) eingeführten § 85 Abs. 4 b SGB V beschloß die Vertreterversammlung der Beklagten am 18.08.1993 einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) mit folgender Regelung:

„3.3 Degressiver Punktwert (§ 85 Abs. 4 b SGB V)

Solange die Berücksichtigung eines degressiven Punktwertes nach den Regeln des § 85 Abs. 4 b SGB V nur in Zusammenhang mit einer jährlichen Zeitraumbetrachtung praktikabel erscheint und entsprechend zu berücksichtigen ist, hat die KZV das Recht, ab dem Quartal im laufenden Verrechnungsjahr entsprechende Einbehalte vorzunehmen, welches dem Feststellungsquartal der Erreichung der Degressionszahlen folgt. Die Einbehalte finden bei der Ermittlung der Jahresabrechnung Berücksichtigung.

4. Abschlagszahlungen/Restzahlung

Bis zur endgültigen Honorarabrechnung erfolgen alle Honorarzahlungen durch die KZV Tübingen als Abschlagszahlungen. Die endgültige Honorarabrechnung wird besonders ausgewiesen und mit Rechtsbehelf versehen.”

Hierauf gestützt, teilte die Beklagte dem Kläger, der in eine kieferorthopädische Praxis betreibt, mit Schreiben vom 30.11.1993 mit, nach Abrechnung der ersten beiden Quartale des Jahres 1993 weise dessen individuelles Abrechnungskonto einen Punktestand auf, der teilweise von der Degression des § 85 Abs. 4 b SGB V erfaßt werde. Nach Abrechnung des 3. Quartals 1993 würden etwa 469.000 Punkte von der Degression erfaßt. Deshalb werde die Restzahlung des 3. Quartals 1993 aufgrund des HVM vorläufig um DM 143.000 gekürzt.

Mit Schreiben vom 25.01.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Punktwertkonto weise für die Monate 1–12/93 einen Stand von 1.048.550 Punkte aus. Unter Berücksichtigung der die Punktmengengrenzen erhöhenden Faktoren (Sozius, angestellter Zahnarzt, Ausbildungsassistent) seien für das Abrechnungsjahr 1993 voraussichtlich 900.000 Punkte vom degressiven Punktwert betroffen. Die Restzahlung für das 4. Quartal 1993 (fällig im März 1994) werde deshalb vorläufig um weitere DM 190.000 gekürzt.

Den vom Klägervertreter am 28.03.1994 erhobenen und mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründeten Widerspruch wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.1994 zurück. Zur Begründung führte er aus, durch die Bestimmung eines degressiven Punktwerts habe der Gesetzgeber systemwidrig in die Vergütungsstruktur der vertragsärztlichen Versorgung eingegriffen und insbesondere gegen das Recht auf Berufsfreiheit, Eigentum und Gleichbehandlung verstoßen. Die KZV sei aber verpflichtet, das ordnungsgemäß zustande gekommene Gesetz anzuwenden.

Mit der am 10.05.1994 beim Gericht eingegangenen Klagschrift hat der Kläger geltend gemacht, die Rechtsgrundlage für die mit der Klage angegriffenen Honorarkürzungsbescheide über den degressiven Punktwert sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil der degressive Punktwert nur für Vertragszahnärzte und ermächtigte Zahnärzte, nicht jedoch für Vertragsärzte und ermächtigte Ärzte gelte. Die Regelung verstoße auch gegen Artikel 12 GG, weil eine Abschöpfung des durch zahnärztliche Tätigkeit erzielten Umsatzes mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls nicht begründet werden könne und der Gesetzgeber seine Rechtssetzungsmacht zu sachfremden Zwecken mißbraucht habe. Die Maßnahme des Gesetzgebers, durch die Degressionsregelung sich lediglich eine Gruppe von Leistungserbringern herauszugreifen und mit dem Eingriff zu überziehen, stelle einen Mißbrauch der Rechtssetzungsmacht zu sachfremden Zwecken dar. Da der gesetzgeberische Zweck der Kürzungsregelung nicht erkennbar sei, könne in die nächste Stufe der Prüfung der Berufsausübungsregelung, nämlich ob das vom Normgeber eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich sei, gar nicht eingetreten werden. Um prüfen zu können, ob das vom staatlichen Gesetzgeber eingesetzte Mittel geeignet sei, müsse geprüft werden, ob mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden könne. Dieser sei aber gerade nicht bekannt. Es könne deshalb im Rahmen der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts auch nicht geprüft werden, ob bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sei. Zwar sei die Regelung von Kürzungen wegen übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit eine gesetzliche Regelung, die auf vernü...

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