Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Höhe der Vergütung. Auslegung von Vergütungsregelungen. Kodierbarkeit der Nebendiagnose J96.0. Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale bei Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Kodierbarkeit der Nebendiagnose J96.0 (Akute respiratorische Insuffizienz).
2. Führt die Prüfung der sachlich rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages, hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.176,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2013 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten sich darum, ob die Nebendiagnose J96.0 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert) oder die Nebendiagnose J96.9 (Respiratorische Insuffizienz, nicht näher bezeichnet) nach einem stationären Krankenhausaufenthalt kodiert werden könne.
Der im Jahre 1956 geborene Versicherte befand sich im Zeitraum vom 07.10.2009 bis 12.10.2009 (5 Tage) bei der Klägerin in vollstationärer Krankenhausbehandlung. Der Versicherte wurde als Notfall über den Notarzt wegen Luftnot und Druck in der Brust vor allem bei Belastung vollstationär aufgenommen. Anamnestisch ergab sich ein respiratorischer Infekt, der zum Aufnahmezeitpunkt jedoch keine große Rolle mehr spielte. Die Entzündungszeichen waren kaum erhöht. Bei kardialer Dekompensation erfolgte eine diuretisch rekompensierende Behandlung mit Furosemid i.v. Im Zeitraum vom 07.10.2009 bis 08.10.2009 wurde Sauerstoff über eine Nasensonde insuffliert und Inhalationen mit Atrovent / Sultanol verordnet. Hierunter konnte der O2-Partialdruck in den Normbereich angehoben werden. Es wurde eine hochgradig eingeschränkte Pumpfunktion bei globaler Hypokinesie und eine Mitralinsuffizienz I°-II° diagnostiziert. Als Nebendiagnosen waren eine Hyperlipidämie, eine Hypertonie und ein Pleuraerguss bekannt.
Mit Rechnung vom 15.10.2009 berechnete die Klägerin für die Behandlung des bei der Beklagten Versicherten mit der DRG F62B für den Zeitraum einen Gesamtbetrag in Höhe von 3.594,27 €. Nachdem die Beklagte die Rechnung zunächst vollständig ausgeglichen hatte, verrechnete sie am 09.09.2013 einen Betrag in Höhe von 1.176,30 €.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst des BEV mit der Frage, ob insbesondere die Nebendiagnose J96 als Nebendiagnose plausibel sei. Der MDK führte in dem Gutachten vom 27.03.2013 aus, dass die Nebendiagnose J96.9 kodiert werden könne. Das Krankenhaus habe anhand der beigebrachten Unterlagen eine respiratorische Partialinsuffizienz sowie deren resultierende Relevanz für das Patientenmanagement belegt. Das Vorliegen einer explizit akuten respiratorischen Insuffizienz sei nicht belegt, noch sei eine akute respiratorische Partialinsuffizienz ableitbar. Eine akute respiratorische Insuffizienz sei weder im Entlassungsbericht des behandelnden Arztes noch in den vorliegenden Unterlagen explizit vermerkt. Abzurechnen sei die DRG F62C.
Die Klägerin hat am 23.12.2013 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass die prompte Besserung der respiratorischen Partialinsuffizienz unter Therapie (u.a. Sauerstoffinsufflation) innerhalb von 48 Stunden im vorliegenden Fall den akuten Verlauf belegen und die Kodierung der J96.0 rechtfertigen würde. Im konkreten Fall liege eindeutig eine respiratorische Insuffizienz vor. Innerhalb von 48 Stunden seien zwei Blutgasanalysen (BGA) und ein Therapiemonitoring (BGA unter Sauerstoffgabe) durchgeführt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.176,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen.
Für den Fall, dass der Antrag zu 1) begründet ist, wird beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die eingeholten Gutachten des MDK.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogene Patientenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf die mit der statthaften - hinreichend bezifferten - Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG) geltend gemachten weitere Bezahlung ihrer Endrechnung vom 15.10.2009 in Höhe von 1.176,30 €. Die Aufrechnung war nicht wirksam. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen erlosch nicht in der streitigen Höhe, da keine Gegenforderung aus einer Überzahlung bestand.
Die Klägerin hat...