Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Anrechnung der Beratungshilfegebühr auf die Verfahrensgebühr
Orientierungssatz
Die Beratungshilfegebühr nach Nr 2503 RVG-VV ist nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr 3103 RVG-VV anzurechnen.
Tenor
Auf die Erinnerung wird die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für den im Klageverfahren erster Instanz (Az. 20 AS 728/06) im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Erinnerungsführer unter Abänderung der Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23.02.2007 auf 222,14 € festgesetzt.
Gründe
Die Erinnerung ist zulässig (§ 56 Abs. 1 Satz 1 RVG iVm §§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 7 RVG), nachdem ihr die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 1 RVG), und begründet.
Der Erinnerungsführer ist im Ausgangsverfahren mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe als Rechtsanwalt beigeordnet worden und kann daher die Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse beanspruchen.
Die Festsetzung durch den Urkundsbeamten erfolgte im wesentlichen antragsgemäß und ist insoweit auch nicht zu beanstanden. Streitig ist lediglich die hälftige Anrechnung der im Wege der Beratungshilfe verdienten Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 Abs. 1 VV-RVG auf die Gebühren des Gerichtsverfahrens, wie sie der Urkundsbeamte vorgenommen hat.
Nach Auffassung der Kammer hat eine Anrechnung der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 Abs. 1 VV-RVG in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zu erfolgen.
Allerdings schreibt Nr. 2503 Abs. 2 S. 1 VV-RVG die hälftige Anrechnung auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren vor. Ratio ist, dass der Gesetzgeber die frühere Befassung und Honorierung des Rechtsanwaltes in einem nachfolgenden Gerichts- oder Behördenverfahren gebührenmindernd berücksichtigen wollte, zum einen, weil es dadurch für ihn weniger Bearbeitungsaufwand erfordert, zum anderen, um auch um keinen finanziellen Anreiz zu schaffen, solche Verfahren anhängig zu machen (Mayer, in: HK zum RVG, Vorb. 3 Rn. 57).
Die uneingeschränkte Anwendung der Anrechnungsnorm führte jedoch zu sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen; sie bedarf daher der teleologischen Reduktion (LSG Nordrhein-Westfalen (NW), Beschluss vom 18.03.2008 - L 1 B 21/07 AL -; SG Dresden, Beschluss vom 27.02.2009 - S 24 SF 180/08 R/F -, jeweils nach juris). Das folgt zum einen aus dem Umstand, dass entgegen dem Anliegen der Beratungshilfe, bedürftigen Personen die gleichen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung zu eröffnen wie leistungsfähigen, durch die Anrechnung der bereits im Sozialverwaltungsverfahren tätige und dort im Wege der Beratungshilfe vergütete Rechtsanwalt im nachfolgenden Sozialgerichtsverfahren schlechter gestellt wird als derjenige Rechtsanwalt, der vom Mandanten selbst vergütet wird. Denn dessen Vergütung wird nicht auf die im Sozialgerichtsverfahren verdienten Gebühren angerechnet. Zum anderen sind die letztgenannten Gebühren infolge des niedrigeren Gebührenrahmens bei der Verfahrensgebühr ohnehin vermindert, so dass dem Gedanken des durch die Vorbefassung verminderten Arbeitsaufwands bereits Rechnung getragen ist (vgl. die Nrn. 2400 und 2401 sowie Nr. 3103 VV-RVG einerseits - nur Verminderung -, Nr. 2503 Abs. 1 und 2 sowie Nr. 3103 VV-RVG andererseits - Anrechnung und Verminderung -).
Die unterschiedliche Handhabung lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des Beratungshilferechts erklären. Denn dann wäre nicht plausibel, dass, wie dargelegt, bei einer Abrechnung nach Betragsrahmengebühren die hälftige Anrechnung der Beratungshilfegebühr auf eine nachfolgende Verfahrensgebühr und zusätzlich eine Verminderung des Gebührenrahmens erfolgen soll, bei einer Abrechnung nach Wertgebühren (in den Fällen des § 197a SGG) dagegen zwar vergleichbare Anrechnungsnormen wegen Vorbefassung bestehen, eine Verminderung der nach dem Streitwert zu ermittelnden Gebühren aber nicht vorgesehen ist (so mit Recht und im einzelnen SG Dresden aaO).
Ob die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion auch aus der Gesetzeshistorie, insbesondere aus dem vom Gesetzgeber wohl als Grundnorm angesehenen § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO und der darin enthaltenen und nur versehentlich nicht in die Neuregelung übernommenen Einschränkung einer Anrechnung der im Beratungshilfeverfahren verdienten Geschäftsgebühr auf Fälle, in denen sie außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens entstanden ist, herzuleiten ist (so LSG NW aaO), bedarf keiner Entscheidung.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG.
Diese Entscheidung ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG unanfechtbar.
Fundstellen