Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. Nichtanwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV
Orientierungssatz
Das einstweilige Anordnungsverfahren ist gebührenrechtlich als gesondertes Verfahren nach § 17 Nr 4b RVG zu behandeln. Die Verfahrensgebühr bemisst sich daher auch bei einem parallel oder zuvor durchgeführten Verwaltungsverfahren nach Nr 3102 RVG-VV.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob sich die Mittelgebühr nach der Gebührennr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) oder nach der Gebührennr. 3103 VV RVG bestimmt.
Die nach § 56 RVG zulässige Erinnerung ist begründet.
Die Kostenbeamtin hat zu Unrecht die Gebührennr. 3103 VV RVG ihrer Berechnung zugrunde gelegt. Der Erinnerungsführer weist zutreffend darauf hin, dass das einstweilige Anordnungsverfahren kein Vorverfahren aufweist und auch gebührenrechtlich als gesondertes Verfahren nach § 17 Nr. 4 b RVG behandelt wird. Dem folgt die Kostenkammer in ihrer ständigen Rechtsprechung.
Das einstweilige Anordnungsverfahren ist ein gesondertes Verfahren, das gebührenrechtlich isoliert zu bewerten ist. Ein parallel oder zuvor durchgeführtes Verwaltungsverfahren ist nicht als Vorverfahren zu werten, so dass die Gebührennummer 3102 VV RVG und nicht 3103 VV RVG einschlägig ist (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. August 2007 - L 20 B 91/07 AS, LSG Thüringen, Beschluss vom 6. März 2008 - L 6 B 198/07 SF, zitiert nach Straßfeld, SGb 2008, 635, 638; anderer Auffassung LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. Februar 2007 - L 1 B 467/06 SK, LSG Bayern, Beschluss vom 12. Februar 2007 - L 15 B 224/06 AS KO, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 - L 9 B 14/06 AS). Die Gegenauffassung mag in den Fällen diskutabel sein, in denen gemäß oder analog § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG die Anordnung oder Feststellung der aufschiebenden Wirkung begehrt wird, da insoweit der Gegenstand des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens und derjenige des Eilverfahrens mit dem jeweils angegriffenem Verwaltungsakt weitgehend identisch ist. Demgegenüber ist bei Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG, bei denen die Erhebung eines Hauptsacherechtsbehelfs lediglich Sachentscheidungs- oder Begründetheitsvoraussetzung, nicht aber Rechtsschutzformvoraussetzung ist, eine größere Verfahrensrechtliche Verselbstständigung gegenüber dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erkennbar, die durchaus mit den höherem Gebührenrahmen der Gebührennr. 3102 VV RVG zu honorieren ist (Groth NJW 2007, 2294, 2298).
Der Beschluss ergeht kosten- und gebührenfrei, § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, da der Beschwerdewert unter 200,00 € liegt, vergl. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 2324973 |
AGS 2010, 238 |