Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. qualitätsbezogene Sonderbedarfszulassung zur ausschließlich psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen für nicht Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. keine Bindung der Gerichte an Richtlinien bei Verstoß gegen höherrangiges Recht
Leitsatz (amtlich)
Eine approbierte Psychologische Psychotherapeutin kann zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung beschränkt auf Psychotherapie für Kinder und Jugendliche zugelassen werden, wenn ein entsprechender Sonderbedarf für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen besteht und die Psychologische Psychotherapeutin die Anforderungen der §§ 5-7 Psychotherapie-Vereinbarung für den entsprechenden Fachkundenachweis erfüllt.
Orientierungssatz
Richtlinien, die unter Verstoß gegen höherrangiges Recht ergangen sind, binden die Gerichte nicht (vgl BSG vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R = BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der zu 1) Beigeladenen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der der zu 1) Beigeladenen Psychologischen Psychotherapeutin vom beklagten Berufungsausschuss für Psychotherapeuten in Mecklenburg-Vorpommern erteilten Sonderbedarfszulassung ab 1. Juli 2009 zur ausschließlichen psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen für A-Stadt.
Die am ... Januar 1970 geborene Beigeladene zu 1) nimmt seit dem 20. Juli 2007 aufgrund von (inzwischen verlängerten) Ermächtigungen an der vertragsärztlichen psychotherapeutischen Versorgung teil und behandelt ausschließlich Kinder und Jugendliche.
Im Dezember 2008 beantragte sie ihre Sonderbedarfszulassung, hilfsweise die Verlängerung der Ermächtigung. Zur Begründung führte sie an, die Versorgungssituation in A-Stadt entspräche derjenigen im Jahr 2007. Wartezeiten betrügen bei ihr zwischen drei und sechs Monate. Nach dem damaligen Beschluss des Beklagten vom 28. Februar 2007 hätten bereits auch die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung vorgelegen. Die Zulassung scheiterte allein an der Tatsache, dass sie nicht als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin approbiert sei. Nach der Neufassung des § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V gelte jedoch, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologische Psychotherapeuten mit einer Abrechnungsbefugnis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Rahmen der Zuerkennung von Sonderbedarfszulassungen gleich zu behandeln seien. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe zwar in § 24 Satz 1 Buchst. b) der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) lediglich die Berufsbezeichnung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut einer Schwerpunktbezeichnung im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung gleichgestellt, diese Regelung, die insbesondere auch auf Kritik seitens des Bundesministeriums für Gesundheit gestoßen sei, sei aber nach der Neufassung des § 101 SGB V dahingehend auszulegen, dass Unterschiede zwischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einerseits und Psychologischen Psychotherapeuten mit der Abrechnungsbefugnis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie andererseits nicht mehr zu machen seien. Tatsächlich sei es auch so, dass hinsichtlich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen zwischen Psychologischen Psychotherapeuten mit der Abrechnungsbefugnis für die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine qualitative Gleichwertigkeit vorliege. Nach den Vorgaben des Psychotherapeutengesetzes sei es so, dass jeder Psychologische Psychotherapeut auch Kinder und Jugendliche behandeln dürfe, während der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut - von geringfügigen Ausnahmen abgesehen - auf die Behandlung von Personen bis zum 21. Lebensjahr beschränkt sei. Da § 101 SGB V die Ermächtigungsgrundlage der BedarfsplRL sei, könne letztere die gesetzlichen Vorgaben nicht aushebeln, so dass auch Psychologische Psychotherapeuten mit der Abrechnungsgenehmigung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung für die ausschließliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen werden können.
Durch Beschluss vom 4. März 2009 lehnte der Zulassungsausschuss für Psychotherapeuten in Mecklenburg-Vorpommern den Zulassungsantrag ab und ermächtigte die zu 1) Beigeladene weiterhin zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen in A-Stadt auf Überweisung von hausärztlich tätigen Vertragsärzten. In der Begründung führte er insbesondere aus, dass das bestehende therapeutische Angebot für Kinder- und Jugendliche in keinster Weise den tatsächlichen Bedarf decke. Obgleich er am selben Tag eine Sonderbedarfszulassung für einen anderen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ...