Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Studenten. Erlangung der Hochschulzugangsvoraussetzung auf dem Dritten Bildungsweg. Überschreitung der Altersgrenze
Leitsatz (amtlich)
Auch die Erlangung der Hochschulzugangsvoraussetzung auf dem Dritten Bildungsweg kommt als persönlicher Grund im Sinne des Ausnahmetatbestandes nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V in Betracht, der die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen kann.
Tenor
Der Bescheid vom 14. August 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2014 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger über den 31. August 2014 hinaus bis zum Abschluss seines Studiums in 2016 pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V gewesen ist.
Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Ende der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Der am 28. Juli 1984 geborene Kläger besuchte bis Juni 2001 die Realschule, brach eine im August 2001 begonnene Ausbildung zum Hotelkaufmann im Dezember 2001 zunächst ab und absolvierte dann nach einer kurzen Zwischenbeschäftigung im Februar/März 2002 erfolgreich eine Ausbildung zum Hotelfachmann (August 2002 bis Juni 2005). In der Folge stand der Kläger in diversen Beschäftigungsverhältnissen, unterbrochen von Zivildienst von August 2005 bis April 2006, und qualifizierte sich im April 2012 zum “Geprüfter Hotelmeister„ (Zeugnis vom 18. Juli 2012). Im September 2012 nahm er das Studium im Studiengang “Wirtschaftsrecht„ an der Hochschule B-Stadt auf, das er 2016 erfolgreich beendete.
Ab dem 1. September 2012 war der Kläger versicherungspflichtig in der KVdS und Mitglied der Beklagten IKKclassic.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 14. August 2014 und Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2014 das Ende der Versicherungspflicht zum Ablauf des Sommersemesters 2014 fest. Zur Begründung führte sie an, die Versicherung gelte nur bis zu einer Altersgrenze von 30 Jahren. Eine Verlängerung sei nicht möglich. Das Studium sei im Vergleich mit den Beschäftigungszeiten zu spät aufgenommen worden.
Zur Begründung seiner Klage vom 5. Januar 2015 trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Überschreitung der Altersgrenze sei gerechtfertigt. Der Abschluss “Geprüfter Hotelmeister„ sei der Allgemeinen Hochschulreife gleichgestellt. Damit werde ihm der Zugang zu Universitäten und Hochschulen gemäß § 18 Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern uneingeschränkt ermöglicht. Für die Erlangung des Meisterbriefes seien bestimmte Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen gewesen, insbesondere eine mehrjährige Berufspraxis.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14. August 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2014 aufzuheben und festzustellen, dass er über den 31. August 2014 hinaus bis zum Ende seines Studiums im Jahr 2016 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich insbesondere auf die Begründung des Widerspruchsbescheides. Die KVdS sei durch die Vollendung des 30. Lebensjahres und die Dauer von 14 Fachsemestern zeitlich begrenzt. Die Krankenversicherung ende mit der Vollendung des 30. Lebensjahres am Tag vor dem Geburtstag, unabhängig vom Beginn des Studiums und der Zahl bis der bisher zurückgelegten Fachsemester. Eine Verlängerung der KVdS über das vollendete 30. Lebensjahr komme nur dann in Betracht, wenn überhaupt Hinderungsgründe vorgelegen hätten, diese für die Überschreitung einer der Grenzen kausal gewesen seien und die Verlängerung der Versicherung dadurch gerechtfertigt sei. Nach der Rechtsprechung des BSG kämen nur Gründe in Betracht, die auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme des Studiums verhindert haben. Ebenso stellten für das Studium die Zeiten vorheriger Berufsausbildung und/oder Tätigkeit, welche durchaus zur Verbesserung der Berufsaussichten dienten und für sinnvoll und angebracht erachtet würden, keinen Hinderungsgrund dar. Demnach stehe die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zwingend einem Studium entgegen. Die Ausbildung auf dem Zweiten Bildungsweg, dass die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium erst nach zwischenzeitlicher Berufsausbildung oder Berufstätigkeit erworben werden, seien keine Hinderungsgründe. Auch bei dem Erwerb der Zugangsvoraussetzungen zu einem Studium über den Zweiten Bildungsweg seien jedoch Zeiten der längeren als für den Zugang und Beginn des Zweiten Bildungsweges keine Behinderungszeiten. Die Verpflichtung zum Wehr- oder Zivildienst habe der Gesetzgeber grundsätzlich als Änderungszeit angerechnet, allerdings nur dann, wenn die anzurechnenden Änderungszeiten dem der Nichthinderungszeiten überwögen. Beim Kläger überwögen bei den anzurechnenden Hinderungszeiten die Zeiten der Nichthinderungszeiten. Eine Anrechnung der Zivildienstzeiten sei demnach nicht möglich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen ...