Entscheidungsstichwort (Thema)

Landesschiedsamt. Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages. Beurteilungsspielraum. Annäherung des Vergütungsniveaus Ost an West

 

Orientierungssatz

1. Dem Schiedsamt kommt bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrages über die vertragsärztliche Vergütung ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Seine Vertragsgestaltungsfreiheit, die der aufsichtsrechtlichen und gerichtlichen Nachprüfung Grenzen setzt, ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung. Die aufsichtsrechtliche und die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung von Vergütungsvereinbarungen durch das Schiedsamt ist dementsprechend auf die Prüfung beschränkt, ob der Entscheidung zutreffend ermittelte Tatsachen zugrunde gelegt worden sind, ob das Schiedsamt die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten und sein Gestaltungsermessen - soweit ihm ein solches zukommt - sachgerecht ausgeübt hat (vgl BSG vom 10.5.2000 - B 6 KA 20/99 R = BSGE 86, 126 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37).

2. Ein Landesschiedsamt hat eine weitere Erhöhung der Gesamtvergütung (hier: 1992) zur Annäherung des Vergütungsniveaus Ost an West nicht vorzunehmen. Ein solches Verlangen lässt sich weder aus der gesetzlichen Regelung noch aus Art 3 Abs 1 GG ableiten (vgl BSG vom 16.7.2003 - B 6 KA 29/02 R = BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen B 6 KA 4/06 R)

 

Tatbestand

Umstritten ist die Anpassung der Gesamtvergütung des Jahres 1992 durch eine Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung in M-V vom 15. Januar 2004.

Am 14. Dezember 1990 schlossen die KBV sowie die Spitzenverbände der Krankenkassen den ab 01. Januar 1991 mit Wirkung für das Beitrittsgebiet geltenden "Rahmengesamtvertrag für die kassenärztliche Versorgung" (RGV) für die Versicherten der Primärkassen.

§ 3 des RGV bestimmt:

(1) Die an diesem Gesamtvertrag beteiligten Krankenkassen entrichten mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die für ihren Kassensitz zuständige KÄV, für eine Übergangszeit an die KÄBV oder - bei einem über die Grenze des Landes sich erstreckenden Versichertenkreis - an diejenige KÄV, die von der KÄBV mit dem Abschluss eines Gesamtvertrages beauftragt ist (§ 83 Abs 1 Satz 3 SGB V). Nachberechnungen der Gesamtvergütung sind zulässig.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung berechnet sich für zugelassene Kassenärzte nach dem ab 1.1.1991 für die in § 1 genannten Bundesländer gültigen Leistungsverzeichnis zur Abrechnung kassen- und vertragsärztlicher Leistungen nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) und den auf dieser Grundlage abgerechneten Leistungen sowie den im § 4 genannten Sonderregelungen. Dabei wird für die Punktzahlen des EBM (O) für das Jahr 1991 - unbeschadet der Regelungen zur Anpassung der Vergütung in § 10 dieses Vertrages - ein Punktwert von 6,1 Pf zugrunde gelegt ≪später vereinbart: ab 1. Juli 1991: 7,0 Pf; ab 1. Januar 1992 7,7 Pf; ab 1. Juli 1992 7,9 Pf≫.

§ 10 des RGV lautet:

"Die Partner dieses Vertrages prüfen unmittelbar nach Auswertung der Abrechnungsergebnisse des jeweiligen Quartals deren Auswirkungen auf die Vergütungssituation der zugelassenen und ermächtigten Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen sowie auf die Ausgabenbelastung der im Gesamtvertrag beteiligten Krankenkassen. Auf der Grundlage dieser Überprüfung werden erforderlichenfalls auch innerhalb der Geltungsdauer dieses Vertrages Änderungen der vergütungsrechtlichen Vorschriften vereinbart, wobei für den Fall, dass die Höhe der Gesamtvergütung einen Anteil von 20 v. H. der um die Verwaltungskosten reduzierten Einnahmen der am Gesamtvertrag beteiligten Krankenkassen nicht erreicht oder überschreitet über eine Anpassung der Vergütungssätze zu verhandeln ist. Der Punktwert von 6,1 Pf (ab 01. Juli 1991: 7,0 Pf, ab 01.01.1992: 7,7 Pf, ab 01. Juli 1992 7,9 Pf) bleibt unberührt."

In einer Protokollnotiz zu § 10 RGV nach den Festlegungen vom 17. Dezember 1993 ist festgehalten: "Die Partner des RGV haben gemäß § 10 des Vertrages die Auswirkungen der Abrechnungsergebnisse des Jahres 1991 auf die Vergütungssituation der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen sowie auf die Ausgabenbelastungen der am Vertrag beteiligten KKn geprüft. Auf der Grundlage dieser Überprüfung vereinbaren sie, die Gesamtvergütung für die an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen für das 4. Quartal 1991 um einen Betrag von 2,75 DM je KK-Mitglied (Stichtag 1. Dezember 1992) im Bereich der jeweiligen KÄV zu erhöhen."

Die Höhe der Gesamtvergütung hat weder in 1991 noch in 1992 den Anteil von 20 v. H. der um die Verwaltungskosten reduzierten Einnahmen der am Gesamtvertrag beteiligten Krankenkassen erreicht. Verhandlungen über eine Nachzahlung für das 4. Quartal 1992, von der KBV im Dezember 1993 gefordert, führten zu keiner Einigung.

Die Klägerin zu 1) ha...

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