Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Regelung des § 13 Abs 3a SGB 5. klare Unterscheidung zwischen Sachleistungs- und Kostenerstattungsanspruch. Regelungsabsicht. Genehmigungsfiktion

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 13 Abs 3a SGB V enthält eine klare Unterscheidung zwischen dem in Satz 6 geregelten Sachleistungsanspruch und dem in Satz 7 geregelten Kostenerstattungsanspruch (ebenso SG Lüneburg vom 17.2.2015 - S 16 KR 96/14; LSG Schleswig vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER, RdNr 25).

2. Bei einer Leistung der medizinischen Rehabilitation (hier Versorgung mit einer wasserfesten Oberschenkelprothese mit Kniegelenk) steht Satz 9 des § 13 Abs 3a SGB V der Anwendbarkeit des Satzes 6 der Vorschrift nicht entgegen. Denn der Verweis auf die Regelungen des SGB IX in Satz 9 erfolgt ausdrücklich nur hinsichtlich der Zuständigkeitsklärung und für die (von Satz 7 geregelten) Fälle der Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung, nicht jedoch für die Fälle einer begehrten Sachleistung.

3. Sollte eine gesetzliche Regelung die Regelungsabsicht nicht zutreffend zum Ausdruck bringen ("missglücken"), ist sie durch die gesetzgebenden Organe zu korrigieren, nicht mittels einer für besser gehaltenen, abweichenden Anwendung durch Behörden und Gerichte "umzudeuten". Gerade eine konsequente Anwendung der (wenn auch für missglückt gehaltenen) Norm ruft den Gesetzgeber auf den Plan, falls hierbei ungewünschte Ergebnisse eintreten.

4. Die Leistung gilt nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V als genehmigt und ist zu erbringen, als wäre sie tatsächlich durch Verwaltungsakt genehmigt worden, solange die (fiktive) Genehmigung von der Behörde nicht nach den Vorschriften des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurückgenommen oder aufgehoben wurde (vgl BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 33).

5. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V tritt unabhängig davon ein, ob die Voraussetzungen der als genehmigt geltenden Leistung im konkreten Fall vorliegen.

6. Der Wortlaut des § 13 Abs 3a SGB V (Antrag auf "Leistung") legt eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm nicht nur auf Sach- oder Dienstleistungen (§ 13 Abs 1 iVm § 2 Abs 2 SGB V), sondern zudem auf die in § 11 SGB V aufgeführten Leistungsarten nahe.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit einer wasserfesten Oberschenkprothese mit Kniegelenk 3R80 des Herstellers O… B… nebst den weiteren erforderlichen Passteilen gemäß Kostenvoranschlag vom 11.08.2015 des Sanitätshauses Sch… Orthopädie- und Rehatechnik Zentrum GmbH H… zu versorgen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer wasserfesten Oberschenkprothese mit dem Kniegelenk 3R80 des Herstellers O… B….

Der 1966 geborene Kläger ist auf Grund eines Zustandes nach Oberschenkelamputation (links) derzeit mit einer C-Leg-Prothese und einem microprozessorgesteuerten Genium-Kniegelenk mit Standphasendämpfung versorgt.

Im Januar 2009 hatte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit einer Badeprothese mit Hydraulikknie beantragt, was die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 09.04.2009 als Zweitversorgung ablehnte. Auf den Widerspruch des Klägers hin nahm die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 02.06.2009 nach Beratung durch den MDK (Gutachten vom 22.05.2009) zurück und bewilligte die Versorgung mit einer wasserfesten Zweitprothese dem Grunde nach. Nachdem der Kläger hiergegen wiederum Widerspruch eingelegt hatte, mit dem er die Versorgung auch mit dem Hydraulikknie begehrte sowie sich gegen die Standardfußversorgung richtete, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK vom 09.08.2009 ein und wies den Widerspruch letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 zurück. Mit der hiergegen erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Speyer (Az.: S 11 KR 457/09) begehrte der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, neben der bereits bewilligten Badeprothese auch die Kosten für deren Ausstattung mit einem hydraulischen Kniegelenk zu übernehmen. Mit Urteil vom 29.09.2011 hatte das Sozialgericht Speyer die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger sich seinerzeit die begehrte Badeprothese mit hydraulischem Kniegelenk selbst beschafft hatte, haben die Beteiligten im Berufungsverfahren vor dem LSG Rheinland-Pfalz (Az.: L 5 KR 278/11) in der mündlichen Verhandlung am 15.03.2012 dann einen Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtete, dem Kläger die Kosten der selbst beschafften Prothese in Höhe der Kosten der Standardbadeprothese zuzüglich der Hälfte des Differenzbetrages zwischen den Kosten der Standardbadeprothese und der Badeprothese mit hydraulischem Kniegelenk entsprechend einzuholender Kostenvoranschläge zu erstatten. Zudem verpflichtete sich die Beklagte, künftige Reparaturen der vom Kläger beschafften Prothese zu übernehmen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien und die Kosten nicht für die Reparatur des hydraulischen Kniegelenks anfielen. Im April 2012 hat die Beklagte demgemäß de...

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