Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Fortbestehen des materiellen Anspruchs bei ununterbrochen festgestellter Arbeitsunfähigkeit. Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit durch den MDK. kein Ende des einmal entstandenen materiellen Anspruchs durch voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit im ärztlichen Attest oder durch Entscheidung der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 regelt lediglich die Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Hierfür reicht bei einer ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit eine erste ärztliche Feststellung aus. Der Anspruch besteht danach fort, solange bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich fortbesteht und nachgewiesen ist (vgl SG Speyer vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11).
2. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus dem im ärztlichen Attest angegebenen voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse - durch Bescheid oder durch später erfolgende tatsächliche Zahlung von Krankengeld für einen bestimmten Zeitabschnitt - den materiellen Anspruch zum Ende des Bewilligungszeitraums enden lassen (entgegen BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R = BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5 und B 1 KR 20/11 R = BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4).
Orientierungssatz
1. Die ärztliche Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit kann auch durch einen Arzt des MDK erfolgen.
2. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs auf Krankengeld kann sich lediglich aus dem Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen ergeben, wenn also die Arbeitsunfähigkeit endet (§ 44 Abs 1 SGB 5), wenn die Anspruchshöchstdauer des § 48 SGB 5 erreicht wird, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr fortbesteht oder der Versicherte in eine Versichertengruppe ohne Anspruch auf Krankengeld fällt (§ 44 Abs 2 SGB 5) oder bei Ausschluss oder Wegfall des Krankengeldes nach §§ 50, 51 SGB 5.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2012 verurteilt, dem Kläger weiteres Krankengeld für die Zeit vom 20.12.2011 bis zum 16.04.2012 in gesetzlicher Höhe abzüglich des Betrages zu gewähren, in dessen Höhe der Anspruch durch die Zahlung von Arbeitslosengeld gemäß § 107 SGB X als erfüllt gilt.
2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung weiteren Krankengeldes über den 19.12.2011 hinaus bis zum 16.04.2012.
Der 1984 geborene Kläger war zuletzt als Produktionsmitarbeiter (Schalungsrohre) bei der B… Bauartikel GmbH in Sp… beschäftigt, als er am 08.09.2011 arbeitsunfähig erkrankte. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Ablauf des 16.09.2011 fristlos gekündigt. Bis zu diesem Tag erhielt der Kläger zunächst Entgeltfortzahlung durch den früheren Arbeitgeber. Ein arbeitsgerichtlicher Prozess endete letztlich mit einem Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem 31.10.2011 beendet wurde.
Ab dem 17.09.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger Krankengeld, wobei sie für die Zeit bis zum 19.10.2011 eine Erstattungsforderung gegenüber dem früheren Arbeitgeber des Klägers geltend gemacht hat.
Ab dem 31.01.2012 bis zum 16.04.2012 bezog der Kläger Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) von der Bundesagentur für Arbeit, die hierzu einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten angemeldet hat. In der Zeit vom 17.04.2012 bis zum 22.05.2012 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Psychosomatischen Fachklinik St. F.. S… in B… K… zu Lasten der Rentenversicherung …. Für diese Zeit erhielt er Übergangsgeld. Ausweislich des Entlassberichts vom 01.06.2012 wurde der Kläger von dort arbeitsfähig entlassen.
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers wurde zunächst von Dr. D… mit der Diagnose “Zervikobrachial-Syndrom„ (M53.1 G) und “Lumboischialgie„ (M54.4), ab dem 26.10.2011 dann von Frau Dr. L… mit der Diagnose “Anpassungsstörung„ (F43.2) attestiert. Am 21.11.2011 stellte diese dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 19.12.2011 aus. Für diesen Tag war die Wiedervorstellung des Klägers bei der Ärztin vorgesehen.
Bereits mit Bescheid vom 18.10.2011 hatte die Beklagte auf Grund von Stellungnahmen des MDK vom 29.09.2011 und vom 17.10.2011 die Krankengeldzahlung zunächst zum 26.10.2011 beendet. Hiergegen hatte der Kläger Widerspruch eingelegt.
Nachdem der Kläger auf Veranlassung der Beklagten vom MDK für den 19.12.2011 zu einem Begutachtungstermin eingeladen worden war, sagte er den Termin bei Frau Dr. L… ab. Der Kläger gab hierzu im Klageverfahren an, auf telefonische Nachfrage sei ihm von der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten mitgeteilt worden, dass er den Termin bei Frau Dr. L… absagen könne, da e...