Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Entstehung und Fortdauer des Anspruchs bei Versicherten mit Wahlerklärung nach § 44 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V. einmalige Karenzzeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Versicherten, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V abgegeben haben, ist eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit keine Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Anders als nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V entsteht gemäß § 46 S 2 SGB V aF für diese Versicherten der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an. Die Karenzzeit von 42 Tagen ist - wie auch die bisher in den Fällen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V aF bestehende Karenzzeit von einem Tag (vgl LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 146/14 - RdNr 22 ff, L 16 KR 429/13 - RdNr 26 ff, L 16 KR 160/13 - RdNr 25 ff und L 16 KR 208/13 - RdNr 24 ff; SG Speyer vom 8.9.2014 - S 19 KR 519/14 ER - RdNr 31 ff, vom 3.3.2015 - S 19 KR 10/15 ER - RdNr 33 ff und vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 - RdNr 41 ff; SG Mainz vom 31.8.2015 - S 3 KR 405/13 - RdNr 61) - bei einem Versicherten mit einer entsprechenden Wahlerklärung nur einmal (nämlich am Beginn der Arbeitsunfähigkeit) zu berücksichtigen (entgegen BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R = BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5 RdNr 22 ff, vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R = BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7).

2. Der materielle Anspruch auf Krankengeld besteht nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der "Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse - durch förmlichen Bescheid oder nur durch später erfolgende konkludente Bewilligung durch tatsächliche Zahlung von Krankengeld für einen bestimmten Zeitabschnitt - den materiellen Anspruch zum Ende des Bewilligungszeitraums enden lassen (entgegen BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R und vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R aaO; ebenso SG Mainz vom 24.9.2013 - S 17 KR 247/12, SG Speyer vom 7.4.2014 - S 19 KR 10/13, SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 298/12, LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 160/13 und L 16 KR 429/13, SG Speyer vom 8.9.2014 - S 19 KR 519/14 ER = Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S 561ff, SG Speyer vom 20.3.2015 - S 19 KR 969/13, SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 und SG Mainz vom 31.8.2015 - S 3 KR 405/13).

3. Die zum 23.7.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs. Der Regelungsbereich des § 46 S 2 nF betrifft lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe, lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 S 2 SGB V stützen.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 verurteilt, dem Kläger weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 17.02.2014 bis zum 22.04.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

3. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld über den 16.02.2014 hinaus bis zum 22.04.2014.

Der 1951 geborene Kläger ist freiberuflicher Versicherungsmakler mit Außendiensttätigkeit. Im Rahmen seiner Tätigkeit absolviert er mitunter Autofahrten von bis zu 200 km. Er ist als hauptberuflich Selbstständiger bei der Beklagten freiwillig krankenversichert, wobei er auf Grund einer entsprechenden Wahlerklärung einen Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit hat.

Am 02.01.2014 erlitt der Kläger einen Vorderwandinfarkt und war in der Folgezeit arbeitsunfähig. Zunächst wurde er bis zum 16.01.2014 stationär im Krankenhaus L… behandelt. Im Anschluss führte er vom 22.01.2014 bis 12.02.2014 eine Anschluss-Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Bund durch.

Mit Folgebescheinigung vom 16.01.2014 attestierte ihm sein Hausarzt Dr. W… (Facharzt für Allgemeinmedizin) zunächst Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen I21.0G [Akuter transmuraler Myokardinfarkt der Vorderwand] und I25.13G [Ather...

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