Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Bewilligung von Krankengeld als Dauerverwaltungsakt. Unzulässigkeit einer befristeten Gewährung. Änderung des § 46 SGB 5 durch das GKV-VSG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewilligung von Krankengeld stellt dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird.
2. Die befristete (zeitabschnittsweise) Bewilligung von Krankengeld ist mangels einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 SGB X nicht zulässig (entgegen BSG vom 16.9.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr 103 -, RdNr 16ff; BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 11/99 R = BSGE 85, 271 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 -, RdNr 12; BSG vom 13.7.2004 - B 1 KR 39/02 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 2 -, RdNr 15; BSG vom 22.3.2005 - B 1 KR 22/04 R = BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6 -, RdNr 29; BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R = BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4 -, RdNr 13f; BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/13 R = SozR 4-2500 § 51 Nr 3 -, RdNr 10; BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R -, RdNr 15, hier insbesondere RdNr 24).
3. Der materielle Anspruch auf Krankengeld besteht nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der "Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse den materiellen Anspruch zum Ende eines "Bewilligungszeitraums", also durch eine (unzulässige) Befristung der Bewilligung enden lassen (entgegen BSG, zuletzt Urteile vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R, B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 7; vgl SG Mainz vom 24.9.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer vom 7.4.2014 - S 19 KR 10/13 -; SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 298/12 -; LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer vom 8.9.2014 - S 19 KR 519/14 ER -; Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S 561ff; SG Speyer vom 20.3.2015 - S 19 KR 969/13; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13; SG Mainz vom 31.8.2015 - S 3 KR 405/13).
4. Die "ärztliche Feststellung" ist als tatsächliche Wahrnehmung des Arztes das Ergebnis einer persönlichen ärztlichen Untersuchung. Das Erfordernis eines "Attestes" oder einer "Bescheinigung" ist den gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch auf Krankengeld nicht zu entnehmen (entgegen LSG Mainz vom 16.10.2014 - L 5 KR 157/14 -).
5. Die zum 23.7.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs.
6. Der Regelungsbereich des § 46 S 2 nF V betrifft lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe, lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 S 2 SGB V stützen.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 verurteilt, der Klägerin weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014.
Die 1980 geborene Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin tätig. Aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2013 beendet. Seither war die Klägerin arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.
Die Klägerin erlitt am 26.07.2013 eine vordere Kreuzbandruptur am rechten Knie und wurde hierdurch arbeitsunfähig. Der Orthopäde Dr. Sch… stellte ihr am selben Tag eine Erstbescheinigung über diese Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose M23.5G [Chronische Instabilität des Kniegelenkes] aus und gab in der Bescheinigung zugleich an, die Klägerin sei voraussichtlich bis einschließlich 15.09.2013 arbeitsunfähig. Bis zum 04.08.2013 erhielt die Klägerin Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit.
Am 15.08.2013 erfolgte im Universitätsklinikum M… arthroskopisch eine vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Sehne am rechten Knie. Nachdem Komplikationen im Heilungsverlauf auftraten, er...