Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Vergütung. anwaltliche Tätigkeit. Rentenverfahren. angemessene Erhöhung der Mittelgebühr. Ansatz der Höchstgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die erhebliche Bedeutung eines Rentenverfahrens für den Einzelnen rechtfertigt für sich allein noch nicht den Ansatz der Höchstgebühr gemäß §§ 12, 116 BRAGebO. Ein im Einzelfall besonders ins Gewicht fallendes Kriterium kann die relevanten übrigen Kriterien des § 12 BRAGebO nicht völlig zurückdrängen.

 

Orientierungssatz

Der Ansatz der Höchstgebühr erscheint jedenfalls nur dann angemessen, wenn die Angelegenheit in ganz außergewöhnlicher, kaum mehr steigerungsfähiger Weise vom durchschnittlichen Rahmen abweicht.

 

Tenor

Die Erinnerung vom 27. April 2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. April 2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung der Höchstgebühr gemäß § 116 Abs 1 BRAGO für das Vorverfahren sowie die Erhöhung der festgesetzten Dokumentenpauschale gemäß § 27 BRAGO um die Kosten für weitere drei Fotokopien.

Im zugrundeliegenden Streitverfahren (SG Stade, Az. S 4 RA 270/02) stritten die Beteiligten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nach Einholung eines internistisch-psychotherapeutischen Gutachtens durch das Gericht wurde das Verfahren am 25. November 2004 durch angenommenes Anerkenntnis beendet.

Zwischen dem Erinnerungsführer und der Beklagten bestand Einigkeit hinsichtlich der Kosten des Hauptsacheverfahrens. Streitig geblieben sind jedoch die Kosten des Vorverfahrens.

Im Kostenfestsetzungsantrag vom 19. Dezember 2005 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung einer Gebühr gemäß §§ 12, 116 Abs 1 BRAGO iHv 440,00 EUR, eine Postentgeltpauschale gemäß § 26 Satz 2 BRAGO iHv 20,00 EUR sowie eine Dokumentenpauschale gemäß § 27 BRAGO für 24 Fotokopien iHv 12,00 EUR. Daraus ergab sich eine Gesamtsumme inklusive 16 % Umsatzsteuer iHv 547,52 EUR.

Die Beklagte anerkannte und zahlte auf den Kostenantrag des Erinnerungsführers eine Gebühr gemäß § 116 BRAGO iHv 240,50 EUR sowie eine Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO iHv 20,00 EUR, inkl Umsatzsteuer ein Betrag iH von insgesamt 302,18 EUR.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. April 2006 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftstelle für das Vorverfahren eine Gebühr nach § 116 BRAGO iHv 336,00 EUR, eine Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO iHv 20,00 EUR sowie für 21 gefertigte Fotokopien einen Betrag iHv 10,50 EUR fest, inkl Steuern ein Gesamtbetrag iH von 425,14 EUR.

Dabei gewährte sie unter Berücksichtigung der Kompensationstheorie eine Erhöhung der Mittelgebühr gemäß § 116 BRAGO um 40 %. Von den geltend gemachten 24 Fotokopien anerkannte sie insgesamt 21 Seiten als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss mit dem Vortrag, es sei in Rentenverfahren aufgrund der erheblichen Bedeutung der Sache für den Betroffenen im Regelfall von der Höchstgebühr gemäß § 116 BRAGO auszugehen. Bezüglich der Fotokopien müsse es in das Ermessen des Rechtsanwalt gestellt sein zu beurteilen, was zur Bearbeitung der Sache sachgemäß sei und was nicht.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung vom 27. April 2006 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.

Die Festsetzung der Kosten des Vorverfahrens durch Beschluss vom 4. April 2006 ist weder hinsichtlich der Höhe der Gebühr nach § 116 BRAGO noch hinsichtlich der teilweisen Nichtanerkennung von Fotokopien zu beanstanden.

1. Im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss wurde die erhebliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger durch die 40 %ige Erhöhung der Mittelgebühr in ausreichender Weise berücksichtigt. Allein die Tatsache, dass es sich um ein Rentenverfahren handelt, das regelmäßig von erheblicher Bedeutung für den Betroffenen ist, rechtfertigt noch nicht den Ansatz der Höchstgebühr gemäß § 116 BRAGO.

Zutreffend hat die Urkundsbeamtin darauf hingewiesen, dass die Rahmengebühr für das Vorverfahren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich 40,00 bis 440,00 EUR beträgt. Gemäß § 12 BRAGO bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Bei durchschnittlichen Verfahren ist daher grundsätzlich von der Mittelgebühr bei § 116 BRAGO auszugehen.

Nach Auffassung des 6. Senats des Thüringischen Landessozialgerichts kann ein im Einzelfall besonders ins Gewicht fallendes Kriterium die relevanten übrigen Umstände kompensierend zurückdrängen (vgl Thür LSG, Beschluss v 06.03.2007 - L 6 B 18/03 SF -, Rz 19-21, mit weiteren Nachweisen).

Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Auffassung des Thüringischen Landessozialgerichts verkennt, dass in § 12 BRAGO mehrere gleichrangige Kriterien genannt werden, die zu eine...

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