Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erlass einer Beitragsforderung der Krankenkasse

 

Orientierungssatz

Die Aufnahme einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit begründet nach § 5 Abs. 5 SGB 5 Versicherungsfreiheit. Im Nacherhebungszeitraum geforderte, aber noch nicht gezahlte Beiträge sind nach § 256a Abs. 1 und 2 SGB 5 zu erlassen. Erforderlich ist insoweit, dass tatsächlich keine Leistungen in Anspruch genommen worden sind und hierüber eine entsprechende Erklärung abgegeben wird. Wurde die Versichertengemeinschaft durch eine Leistungsinanspruchnahme des Betroffenen im Gegenwert von 20 €. innerhalb eines Zeitraums von zehn Monaten belastet, so steht dies dem Erlass der Beitragsforderung nicht im Wege.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13. September 2015 und 2. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2015 verpflichtet, die Beiträge für den Kläger für den Zeitraum 16. August 2011 bis 30. Juni 2012 zu erlassen.

2. Die Beklagte trägt 3/4 der Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt den Erlass einer Beitragsforderung durch die Beklagte nach § 256a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der 1972 geborene Kläger war bis 15. August 2011 bei der Beklagten über den Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) pflichtversichert. Ab 16. August 2011 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit auf und erhielt hierfür ab diesem Tag bis zum 15. Mai 2012 einen monatlichen Gründungszuschuss in Höhe von 920,70 EUR (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 8. September 2011). Eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten oder der Abschluss einer privaten Krankenversicherung erfolgte nicht. Erstmals wandte sich der Kläger am 4. Juli 2012 an die Beklagte. Er erhielt eine auf diesen Tag datierte Mitgliedsbescheinigung und zeigte die Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Nach weiteren Gesprächen stufte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 27. September 2012 auf der Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige für 2012 von 1.968,45 EUR ein. Die Beitragsbemessung erfolgte unter Vorbehalt bis zur Vorlage des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides. Ab dem 1. Dezember 2012 bezog der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und begründete hierdurch eine Pflichtversicherung bei der Beklagten. Im Dezember 2012 überreichte der Kläger seinen im Oktober 2012 ausgestellten Einkommensteuerbescheid 2011. Anhand dessen setzte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 die Beitragslast für den Kläger vom 16. August 2011 bis 31. Dezember 2011 endgültig fest (Beitragsbemessungsgrundlage: 2.347,46 EUR). Für den Zeitraum ab 1. Januar 2012 bis 31. Oktober 2012 wurden die Beiträge nur vorläufig, auf der Beitragsbemessungsgrundlage von 1.726,76 EUR, festgesetzt. Für die endgültige Bemessung für den November 2012 berücksichtigte die Beklagte diesen Wert ohne Vorbehalt. Als Gesamtrückstand für den Zeitraum 16. August 2011 bis 30. November 2012 gab die Beklagte 5.067,82 EUR an. Nachdem der Kläger weitere Angaben zu seinem Einkommen übermittelt hatte, reduzierte die Beklagte die Festsetzung mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 15. Mai 2012 dadurch, dass nunmehr ein Betrag von 1.454,03 EUR monatlich und für den Zeitraum 16. Mai bis 31. Oktober 2012 ein Betrag von 1.312,50 EUR als Bemessungsgrundlage herangezogen wurde. Auch die darauf beruhenden Beitragsfestsetzungen erfolgten nur vorläufig. Der Kläger schloss eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Beklagten ab, auf die er in der Folgezeit drei Teilzahlungen in Höhe von zweimal 500 EUR und einmal 450 EUR, insgesamt 1.450 EUR, leistete. Nachdem weitere Ratenzahlungen ausblieben, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 18. April 2013 die Zahlungsvereinbarung. Die Beklagte erließ am gleichen Tag einen Feststellungs- und Leistungsbescheid, mit dem sie für den Zeitraum 16. Mai 2012 bis 30. November 2012 einen Gesamtbetrag von 3.684,34 EUR geltend machte. Sie berechnete mit Bescheid vom 28. August 2013 die Beitragslast für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. Oktober 2012 endgültig und erhob Beiträge in Höhe von 1.077,11 EUR nach. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte sie für den Zeitraum 1. Januar bis 15. Mai 2012 2.347,46 EUR monatlich als Beitragsbemessungsgrundlage, für den Zeitraum danach bis 31. Oktober 2012 wiederum 1.726,76 EUR. Im November 2013 stellte der Antragsteller zwei Anträge auf Erlass der Beitragsschuld. Diese wurden bei der Beklagten zunächst nicht bearbeitet. Erst mit Schreiben vom 9. September 2014 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Vordruck über die Nichtinanspruchnahme von Leistungen im fraglichen Zeitraum, den der Kläger unterschrieben zurücksandte. Die Beklagte recherchierte in ihren Unterlagen, dass der Kläger am 8. Februar 2012 eine Verordnung eines Hautarztes über ein Medikament ausgestellt erhalten hatte und dieses zu Lasten der Beklagten in Höhe von 20,46 EUR abgerech...

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