Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Gründungszuschusses bei Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. bei eigener Leistungsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Bewilligung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 93 SGB 3 ist u. a., dass die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld gegeben sind. Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.
2. Hat die Agentur für Arbeit ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Erhalt einer Entlassungsentschädigung festgestellt und ist der ergangene Bescheid bindend geworden, so fehlt es an der erforderlichen Leistungsvoraussetzung für den Anspruch auf Gründungszuschuss.
3. Im Übrigen steht der Bewilligung eines Gründungszuschusses die eigene Leistungsfähigkeit des Antragstellers entgegen. Hat dieser bei Beendigung seines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses eine Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhalten und nimmt er danach eine selbständige Tätigkeit auf, so kann er darauf verwiesen werden, dass er von seiner Abfindung in zweckentsprechender Weise Gebrauch macht und diese zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung einsetzt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Gründungszuschusses anlässlich der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Berater (Anlageberatung ohne Vertrieb) und Seminaranbieter.
Der im Oktober 1962 geborene Kläger durchlief in der Zeit von August 1979 bis Januar 1982 eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Anschließend stand er - unterbrochen durch die Leistung des Wehrdienstes - bis Juni 2008 bei der H. in einem Arbeitsverhältnis. Es schloss sich ein Arbeitsverhältnis bei der I. an. Diese und der Kläger schlossen am 31. Oktober 2011 einen Aufhebungsvertrag. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitige Arbeitnehmerkündigung vom 16. Dezember 2011 mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Im Januar 2012 zahlte die ehemalige Arbeitgeberin eine (im Aufhebungsvertrag vom 31. Oktober 2011 vereinbarte) Abfindung in Höhe von 88.040,00 EUR brutto (55.252,54 EUR netto) an den Kläger. Aus der Arbeitsbescheinigung der I. vom 6. Januar 2012 geht hervor, dass der Kläger im Jahr 2011 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 84.318,20 EUR erzielt hatte.
Der Kläger meldete sich am 22. Dezember 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 2. Februar 2012 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. Januar 2012 bis zum 24. März 2012 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 6. Februar 2012 lehnte die Beklagte die Leistung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 ab mit der Begründung, der Kläger habe von seinem bisherigen Arbeitgeber wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Leistung in Höhe von 88.040,00 EUR erhalten oder zu beanspruchen. Sein Anspruch ruhe. Mit weiterem Bescheid vom 6. Februar 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld mit einem Anspruchsbeginn am 1. Januar 2012 und einer Anspruchsdauer von 360 Tagen, unter Berücksichtigung von Ruhenszeiträumen vom 1. Januar 2012 bis zum 24. März 2012 und vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 mit einem Zahlungsbeginn ab 1. Juli 2012 in Höhe von 75,50 EUR täglich. Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 2. Februar 2012 und 6. Februar 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2012 als unbegründet zurück. Die hiergegen am 21. Mai 2012 erhobene Klage führte nicht zum Erfolg (Sozialgericht [SG] Stade, Urteil vom 15. Juni 2016 - S 16 AL 69/12).
Am 20. Februar 2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 1. April 2012 als "Berater / Seminaranbieter (kein Vertrieb)" in A-Stadt. Im Antragsverfahren legte er vor: Businessplan, Lebenslauf, Rentabilitätsberechnung mit weiteren Anlagen, Stellungnahme der Existenzgründerhilfe GbR vom 5. März 2012 zur Tragfähigkeit der Existenzgründung, Bescheinigung über die Teilnahme an einem Existenzgründerseminar, Prüfungszeugnis, Zeugnisse der H., Schreiben des Finanzamtes A-Stadt vom 26. März 2012. Ferner teilte der Kläger schriftlich mit, derzeit beziehe er keine laufenden, regelmäßigen Einnahmen. Die erhaltene Abfindung in Höhe von 55.000,00 EUR netto sei durch den Erwerb des für sein Unternehmen dringend erforderlichen Fahrzeugs und den Lebensunterhalt in den letzten drei Monaten auf 28.000,00 EUR reduziert. Davon seien bzw. würden 23.508,30 EUR in die Firma investiert. Der Rest sei Schwankungsreserve, die bereits für Beratungskosten bzw. Qualifizierungsmaßnahmen benötigt würden. Sein Unternehmen werde voraussichtlich nach Ablauf von sechs Monaten Einnahmen für den Lebensunterhalt abwerfen. Die Betriebskosten seien gedeckt (Ver...