Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Beitragszuschlag für Kinderlose verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
Beitragszuschlag für Kinderlose verfassungsgemäß.
Orientierungssatz
Die prinzipielle Entscheidung des Gesetzgebers zur Erhebung eines Beitragszuschlages für Kinderlose ist verfassungskonform.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zum Beitragzuschlag für Kinderlose in der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Der am 21. Januar 1951 geborene Kläger bezieht seit dem 1. April 1996 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er ist verheiratet, lebt von seiner Frau getrennt und hat keine Kinder. Er ist bei der dem Verfahren beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2005 berechnete die Rechtsvorgängerin der Beklagten die dem Kläger zustehende Rente in Hinblick auf die Einführung des gesetzlichen Beitragszuschlages für Kinderlose neu. Für den Monat April 2005 wurde der Pflegeversicherungsbeitrag mit einem Beitragssatz von 2,7 % und für die Zeit ab 1. Mai 2005 mit einem Beitragssatz von 1,95 % berechnet und in der berechneten Höhe einbehalten. Den hiergegen durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 11. März 2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2005 zurück.
Dagegen richtet sich die am 7. Juni 2005 erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, durch die angefochtenen Bescheide in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) verletzt und unverhältnismäßig benachteiligt zu sein. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen würde aus seiner Rente ein erhöhter Beitrag zur Pflegeversicherung einbehalten, ohne dass dies verhältnismäßig sei. Durch das Gesetz würden Erziehende nicht relativ zu ihrer Erziehungsleistung entlastet, sondern kinderlose Mitglieder der Pflegeversicherung, die älter als 23 Jahre sind und nach dem 01. Januar 1940 geboren wurden, belastet. Das Gesetz müsse auch im Zusammenhang mit den anderen Belastungen betrachtet werden, welche in den letzten Jahren durch gesetzliche Maßnahmen eingeführt worden seien. Eine Vereinbarkeit mit dem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs 1 GG sei hiernach nicht mehr gegeben.
Zudem sei die gesetzliche Neuregelung mit Art. 3 Abs 1 GG unvereinbar. Sie führe zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber vor dem 1. Januar 1940 Geborenen und zu einer Benachteiligung gegenüber Versicherten, die nicht in “ausreichender Zahl„ Kinder erziehen. Ohne Rechtfertigung werde er gegenüber solchen Eltern sachlich benachteiligt, die nicht in ausreichendem Maße zur Stabilisierung und Finanzierung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beitragen. Ferner bestehe eine Benachteiligung gegenüber solchen Versicherten, die zwar Kinder hatten oder haben, durch Betreuungs- oder Erziehungsleistungen finanziell aber nicht belastet seien.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 abzuändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, seine laufende Rente von der Erhebung eines Beitragssatzes von zusätzlich 0,25 % zu Gunsten der Pflegeversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Rentenakte, Rechtsmittelakte) welche das Gericht beigezogen hat, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen Bescheide und Auszahlung des einbehaltenen Beitragszuschlages für Kinderlose in Höhe von 1% für den Monat April 2005 und in Höhe von jeweils 0,25% für die folgenden Monate. Die Verpflichtung zur Entrichtung des Beitragszuschlages ergibt sich aus § 55 Abs 3 und 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Diese Vorschriften halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung vom 15. Dezember 2004 (KiBG, Bundesgesetzblatt I 2004, 3448) einen Beitragszuschlag für Kinderlose eingeführt. Aufgrund dieses Gesetzes regelt § 55 SGB XI in Abs 3 S 1 nunmehr, dass der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 dieser Vorschrift sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag iHv 0,25 Beitragssatzpunkten erhöht (Beitragszuschlag für Kinderlose). Nach § 55 Abs 3 Satz 2 SGB XI gilt dies nicht für Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Die...