Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsicht und Auskunft über den Namen eines Behördeninformanten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem in § 44a S 1 VwGO enthaltenen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, können auch in sozialgerichtlichen Verfahren behördliche Verfahrenshandlungen (wie hier die Begrenzung der Akteneinsicht) grundsätzlich nicht isoliert angefochten werden. Dies steht der Zulässigkeit einer Klage, die auf Offenlegung der Namen von Behördeninformanten durch uneingeschränkte Akteneinsicht gerichtet ist, dann nicht entgegen, wenn es in diesem Verfahren ersichtlich nicht um ein rechtliches Interesse an der Gewährung entsprechender Sozialleistungen, sondern um andere, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zusammenhängende rechtliche Interessen geht.

2. Vorgänge sind wegen berechtigter Interessen der Beteiligten oder dritter Personen immer dann geheim zu halten, wenn sie unter das Sozialgeheimnis gemäß § 35 SGB 1 fallen. Dazu zählen auch die Daten eines Behördeninformanten.

3. Bei der Entscheidung über die Gewährung (uneingeschränkter) Akteneinsicht oder Auskunftserteilung ist das Interesse des Betroffenen an der Kenntnis der Identität des Behördeninformanten gegen entgegenstehende Geheimhaltungsinteressen der Behörde selbst oder Dritter (hier der Behördeninformanten) abzuwägen. Die Berechtigung des Interesses der Informanten an einer Geheimhaltung ihrer Sozialdaten, insbesondere ihres Namens, tritt dann in Abwägung mit den Interessen des Betroffenen zurück, wenn ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass die Behördeninformanten wider besseres Wissen und in der vorgefassten Absicht der Rufschädigung gehandelt oder leichtfertig falsche Informationen gegeben haben.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Offenlegung der Namen von Behördeninformanten durch uneingeschränkte Akteneinsicht in die bei der Beklagten über sie geführten Leistungsakten.

Die am 11. Juni 1947 geborene Klägerin stand seit 29. Januar 1998 im Leistungsbezug der Beklagten. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) erhielt die Klägerin ab 28. März 2000 Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis zum Ende des Jahres 2004. Voraussetzung für deren Bewilligung war ua die Bedürftigkeit des Arbeitslosen, §§ 190 Abs 1 Nr 5, 193, 194 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung.

Im August 2001 erhielt die Beklagte folgendes Schreiben:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten Sie hiermit informieren, dass Frau F. sich am 07.01.1998 durch Umschreiben ihres Hauses auf ihre Tochter ihres Vermögens entledigt hat. Unseres Wissens war Frau F. schon 1997 Leistungsempfängerin bei Ihnen.

Das Haus hatte laut Exposé (siehe Anlage) einen Wert von DM 670 000,-. Laut Äußerung von Frau G. ist auch noch Immobilienbesitz in Irland vorhanden (siehe Anlage 2).

Mit freundlichem Gruß„

Dem Schreiben waren die erwähnten Anlagen beigefügt; der Absender und die Unterschrift sind nachträglich geschwärzt. Die Beklagte stellte daraufhin Ermittlungen zur Bedürftigkeit der Klägerin an, deren Ergebnis eine entsprechende Auflassung und Eintragung im Grundbuch bestätigten; ein Immobilienbesitz in Irland konnte nicht festgestellt werden. Rechtliche Konsequenzen für die Klägerin - etwa Versagung der Alhi wegen mangelnder Bedürftigkeit oder die Berücksichtigung des angezeigten vermeintlichen Vermögens - ergaben sich aus alledem nicht. Mit Schreiben vom 17. Januar 2002 befragte die Beklagte die Klägerin direkt zu dem im Schreiben der Behördeninformanten geäußerten Sachverhalt. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2002 Einsicht in ihre vollständige Leistungsakte “zur Feststellung des Falschinformanten und dessen strafrechtlicher Verfolgung„. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 2002 mit, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Bekanntgabe des Namens nicht erfolgen könne und dieser bei Akteneinsicht geschwärzt werden müsste. Mit Bescheid vom 26. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bekanntgabe der Namen im Rahmen einer Akteneinsicht ab. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass es sich dabei um schutzwürdige Daten dritter Personen handele und die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2002 als unbegründet zurück.

Am 17. April 2002 hat die Klägerin Klage erhoben und trägt zur Begründung ergänzend vor, dass sie von Dritten bei der Beklagten falschbezichtigt worden sei. Dies brauche sie sich nicht gefallen zu lassen, und sie wolle rechtliche Schritte dagegen unternehmen. Zur Abwehr persönlicher und wirtschaftlicher Nachteile verlange die Klägerin die Bekanntgabe der Urheber mit...

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