Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung eines selbst bewohnten Hauses als verwertbares Vermögen. Lebensalter als Verwertungshindernis

 

Orientierungssatz

Bei einem alleinstehenden Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist ein Grundstück von 900 Quadratmetern, das mit einem Wohnhaus von 100 Quadratmeter Nutzfläche bebaut ist, unangemessen groß und damit als Vermögen grundsätzlich zu verwerten. Dabei kann die Leistung durch den Grundsicherungsträger verweigert werden, wenn der betroffene Hilfebedürftige die an sich mögliche Verwertung des Grundstücks verweigert. Insoweit ist allein ein fortgeschrittenes Lebensalter (hier: 59 Jahre) kein ausreichender Grund, von einer Verwertung abzusehen (Aufgabe: SG Stade, Urteil vom 09. Mai 2007, S 17 AS 200/06).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum März 2012 bis einschließlich August 2012 und dabei konkret über die Berücksichtigung eines selbst bewohnten Hauses als verwertbares Vermögen. Die Klägerin, geboren im Februar 1955, ist alleinstehend und bewohnt ein in ihrem Eigentum stehendes Haus in G. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Das Haus weist nach den Angaben der Klägerin im Leistungsantrag vom 18. März 2005 ohne Berücksichtigung der Terrasse und einer Ausbaureserve eine Wohnfläche von 106,48 qm auf. Das Grundstück ist 930 qm groß. Nach den Angaben der Klägerin hat das unbelastete Hausgrundstück einen Wert von 183.000,00 EUR. Die Klägerin verfügt seit März 2011 über Erwerbseinkommen aus einer Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin iHv 155,00 EUR monatlich. Von September 2013 bis April 2014 bestand aus einer geringfügigen Beschäftigung in einem Alten- und Pflegeheim ein Einkommen iHv 451,00 EUR brutto (380,00 EUR netto) monatlich. Seit Mai 2014 ist sie in dem Altenheim halbtags beschäftigt. Im Jahr 2005 bezog die Klägerin kurzzeitig Leistungen nach dem SGB II von der BAgIS Bremen (Bescheid vom 23.12.2004). Der Fortzahlungsantrag vom 18. März 2005 für den Leistungszeitraum ab April 2005 lehnte die für den Beklagten handelnde Stadt G. seinerzeit ab, da das selbst bewohnte Haus unangemessen groß und als Vermögen zu berücksichtigen sei. Ein deswegen vor dem erkennenden Gericht angestrengtes Klageverfahren, das unter dem Aktenzeichen S 17 AS 200/06 geführt wurde, endete mit Urteil vom 09. Mai 2007 zunächst mit einem Erfolg für die Klägerin. Nach damaliger Auffassung des Gerichts bestand ein Leistungsanspruch nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Hauses mit Grundstück als verwertbares Vermögen, da die Immobilie trotz tatsächlicher Überschreitung der vom Bundessozialgericht typisierend angewandten Angemessenheitsgrenze von 90 qm im Rahmen des § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls noch als angemessen anzusehen war. Im sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az L 13 AS 174/07) stellte sich heraus, dass die Klägerin von August 2004 bis zu deren Tode am 11. Februar 2012 ihre Mutter im Haus häuslich gepflegt hatte. Während dieser Zeit hatte die Klägerin Zugriff auf ein Sparkonto der Eltern, auf das auch die laufenden Renten- und Pflegegeldzahlungen ausgezahlt wurden. Das Landessozialgericht hob das erstinstanzliche Urteil vom 09. Mai 2007 mit Urteil vom 29. Mai 2013 mit der Begründung auf, die Klägerin sei im dort streitgegenständlichen Zeitraum ab April 2005 nicht hilfebedürftig gewesen, da sie Zugriff auf andere Geldquellen, nämlich das Sparguthaben der Eltern, gehabt habe. Die Klägerin habe nicht glaubhaft machen können, dass es sich um Darlehen gehandelt habe. Das Landessozialgericht ließ die zuvor an sich in erster Linie streitige Frage der Anrechnung des Hausvermögens ausdrücklich offen. Seit der erstmaligen Ablehnung der Leistungen nach dem SGB II zum April 2005 stellte die Klägerin unabhängig vom damals laufenden Klage- und später Berufungsverfahren alle sechs Monate einen Fortzahlungsantrag, und zwar meistens im März und September eines Jahres. Zum überwiegenden Teil ruhten die Anträge im Einvernehmen der Beteiligten, um den Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten. Nach Zugang des LSG-Urteils vom 29. Mai 2013 beantragte die Klägerin am 04. Oktober 2013 schließlich, dass der Beklagte nunmehr über die offenen Fortzahlungsanträge entscheiden möge. Der Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 die begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum September 2005 bis Februar 2012 unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts und die fehlende Hilfebedürftigkeit wegen des Zugriffs auf das Sparkonto der Eltern ab. Mit weiterem Bescheid vom 17. Oktober 2013 lehnte der Beklagte die Leistungsgewährung ab September 2012 bis einschließlich August 2013 wegen weiterhin nicht nachgewiesener Hilfebe...

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