Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Ermittlung des konkreten Hilfebedarfs. Anrechnung von Vermögen. Vermögensverwertung bei einem selbstgenutzten Eigenheim
Orientierungssatz
Ein selbstgenutztes Eigenheim mit einer Wohnfläche von ca. 100 Quadratmeter kann auch dann, wenn es nur von einer Person bewohnt wird, ausnahmsweise im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als geschütztes Vermögen von der Verwertungspflicht ausgenommen sein, wenn sich im Einzelfall unter Berücksichtigung von Lebensalter und Erwerbsbiografie die Wohnsituation des Betroffenen als noch sozialadäquat darstellt.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2006 verpflichtet, der Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab April 2005 bis März 2006 mit der Maßgabe zu gewähren, dass das von der Klägerin bewohnte Eigenheim nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob das von der Klägerin bewohnte Eigenheim als angemessenes Vermögen von einer Berücksichtigung gemäß § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II ausgenommen ist oder nicht.
Die Klägerin, geboren 1955, bewohnt ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 106 m². Das Grundstück hat eine Größe von 930 m². Das Haus wurde im Jahr 1994 gebaut und ist nicht im Zusammenhang mit Kreditverpflichtungen belastet. Der Wert liegt nach Angaben der Klägerin bei rund 183.000,00 EUR.
Auf den Leistungsantrag vom 21. Dezember 2004 hin bewilligte die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (BAgIS) mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 für die Monate Januar bis einschließlich März 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Den Folgeantrag vom 18. März 2005 lehnte der mittlerweile zuständig gewordene Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2005 mit der Begründung ab, dass das Grundeigentum der Klägerin zu verwerten sei. Zwar sei eine Teilung des Grundstücks aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht möglich, wohl aber könne beispielsweise das Dach ausgebaut werden und als eigenständige Wohnung verkauft werden. Zu rechnen sei bei einem Verkauf einer Eigentumswohnung in der Lage mit einem Erlös von rund 135.000,00 EUR, sodass die Investitionskosten dadurch abgedeckt werden könnten. Außerdem sei auch eine Vermietung denkbar, um Kreditraten abzubezahlen. Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, da aus ihrer Sicht ihr die finanziellen Mittel zum Ausbau fehlten und die Bildung von Wohnungseigentum aufgrund der Grundrisskonzeption des Hauses ohnehin nicht in Frage komme.
Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 hat die Klägerin am 30. März 2006 Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor, eine Verwertung des Hauses durch den Dachausbau sei nicht möglich.
Die Klägerin beantragt,
Den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2006 zu verpflichten, ihr Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab April 2005 mit der Maßgabe zu gewähren, dass das von ihr bewohnte Eigenheim nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei das eigene Heim der Klägerin nicht mehr als angemessen anzusehen und daher auch nicht über § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II geschützt. Auch könne kein Härtefall gesehen werden, der eine Verwertung des Hauses ausschlösse.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 09. Mai 2007 waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtswidrig und beschwert daher die Klägerin, § 54 Abs 2 SGB II. Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne vermögensmäßige Berücksichtigung des von ihr bewohnten Eigenheims.
1. Das selbst genutzte Eigenheim der Klägerin ist bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Gemäß § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach Abs 3 Nr 4 ist ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung als Vermögen...