Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Pflichtteilsanspruch. Abschluss eines Pflichtteilverzichtsvertrages. kein sittenwidriges Rechtsgeschäft
Orientierungssatz
Der Verzicht eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 auf einen Pflichtteilsanspruch durch einen notariell bekundeten Pflichtteilverzichtsvertrag stellt an sich kein sittenwidriges Rechtsgeschäft iS des § 138 Abs 1 BGB dar.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 16.02.2012 bis zur Bestandskraft des Widerspruchbescheides bzw. längstens bis zum 31.06.2012 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
2. Dem Antragsteller wird für die Zeit ab dem 16.02.2012 für das Eilverfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. gewährt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die darlehensweise Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Antragstellung.
Mit Bescheid vom 14.03.2011 bewilligte der Antragsgegner dem 1954 geborenen Antragsteller erstmals Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.12.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von 519 Euro (für den Monat Januar) bzw. 359 Euro (für die Folgemonate).
Am 13.04.2011 schloss der Antragsteller mit seinem Vater einen Pflichtteilverzichtsvertrag (Notariat Urkundenrolle 570/2011). Dies geschah in Kenntnis des zuvor von seinem Vater errichteten Testaments (Notariat Urkundenrolle 569/2011), in dessen § 4 ihm ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht in der Dachgeschosswohnung des väterliches Eigentumshauses in der H. vermacht wurde sowie die Freistellung von der ordnungsgemäßen Instandsetzung des Gebäudes und das Recht, bei dessen Zerstörung oder sonstigen Unbewohnbarwerdens vom Eigentümer die Wiederherstellung der Wohnräume fordern zu können und bis dahin gleichwertig untergebracht zu werden. Die Kosten für Schönheitsreparaturen hinsichtlich der bewohnten Dachgeschosswohnung sind danach vom Antragsteller zu tragen ebenso wie sämtliche Nebenkosten.
Der Vater des Antragstellers verstarb sodann am 22.06.2011.
Mit Bescheid vom 11.10.2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller darlehensweise Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 410,12 Euro.
Mit Bescheid vom 16.12.2011 lehnte der Antragsgegner den Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 25.11.2011 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller über verwertbares Vermögen in Höhe von 280.000 Euro verfüge. Damit übersteige sein Vermögen den Vermögensfreibetrag in Höhe von 9.300 Euro. Dieses müsse er zur Sicherung seines Lebensunterhaltes einsetzen.
Den hiergegen mit Schreiben vom 21.12.2011 erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2012 als unbegründet zurück.
Bereits unter dem 16.02.2012 stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim beschließenden Gericht. Zur Begründung trägt er vor, eine Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichtvertrages liege nicht vor und werde von dem Antragsgegner auch nicht behauptet. Wie bereits im Verwaltungsverfahren von den Angehörigen des Antragstellers geschildert, könne er nach den Erfahrungen in der Vergangenheit nicht mit Geld umgehen. Es sei daher der Wille seines Vaters gewesen, ihn in einer Form zu bedenken, die nicht nur eine Verschleuderung unmöglich mache, sondern ihn auch von finanziellen Belastungen freistelle, die er nicht würde tragen können. Demgemäß sei der Antragsteller von seinem Vater auch angemessen abgefunden worden. Entgegen der Annahme des Antragsgegners sei nicht der Wert der Wohnung anzusetzen sondern der des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnrechts. Nach den Sterbetafeln 2008/2010 habe der Antragsteller eine statistische Lebenserwartung von 23,56 Jahren. Die Dachgeschosswohnung in Weilheim mit einer Größe von 50 m² habe einen Wohnwert von mindestens 350 Euro. Damit ergebe sich ein Mindestwert von 100.800 Euro. Selbst wenn man zu dem Schluss käme, der Pflichtteilverzichtvertrag sei gegenüber dem Antragsgegner unwirksam, so würde das nicht die Verfügungsmöglichkeit des Antragstellers über ein verfügbares Vermögen bedeuten.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antragstellung längstens bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 692,45 Euro monatlich, hilfsweise in Höhe von 468,12 Euro monatlich darlehensweise zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Antragsteller habe sittenwidrigerweise auf...