Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streitigkeiten um Rabattverträge nach § 130a SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Für Streitigkeiten, bei denen es um die Erteilung von Zuschlägen zu Angeboten zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a SGB 5 geht, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Dies folgt bereits aus § 51 Abs 1 Nr 2, Abs 2 S 1 und 2 SGG und wird bestätigt und bestärkt durch Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 69 SGB 5. Mit Ausnahme der §§ 19 bis 21 GWB sind die Vorschriften des GWB einschließlich der vergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97ff GWB nicht anwendbar. Die gegenteilige Auffassung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf und der Vergabekammer des Bundes sowie des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.12.2007 - VII-Verg 51/07) ist abzulehnen.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der am 21.11.2007 gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 31.10.2007 eingereichten Klage wird angeordnet.
2. Den Antragstellerinnen wird gestattet, das Vergabeverfahren zum Abschluss von Rabattverträgen fortzuführen und auf die von ihnen ausgewählten wirtschaftlichsten Angebote bezüglich der Wirkstoffe
Alfuzosin, Allopurinal, Amiodaron, Amisulprid, Amlopidin, Bisopolol (und Hydrochlorothiazid), Carvedilol, Ciprofloxacin, Citalopram, Doxazosin, Enalaporil (und Hydrochlorothiazid), Finasterid, Furosemid, Gabapentin, Glimeprid, Isosorbit mononitrat, Lamotrigin, Lisinopril (und Hydrochlorothiazid), Metroprolol, Mirtazapin, Nitrendipin, Omeprazol, Paroxetin, Ramipril (und Hydrochlorothiazid), Ranitidin, Roxithromycin, Sertralin, Simvastatin, Spironolacton, Sumatriptan, Tamsulosin, Terazosin, Tramadol, Verapamil, Doxepin, Isosorbit dinitrat, Levodopa und Decarboxylasehemmer, Metropolol und Hydrochlorothiazid, Trimipramin
Zuschläge zu erteilen.
3. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene Ziffer 1 haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Vorliegend wenden sich die Antragstellerinnen im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen das ihnen gegenüber von der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf ausgesprochene Verbot, für verschiedene Wirkstoffe Zuschläge auf Angebote von Pharmaunternehmen zum Abschluss von Rabattverträgen zu erteilen.
Die Antragstellerinnen haben gemeinsam unter Federführung der Antragstellerin Ziffer 1 (AOK Baden-Württemberg) für insgesamt 83 Wirkstoffe die auf dem Markt in Deutschland für diese Wirkstoffe tätigen in- und ausländischen Pharmaunternehmen mit Schreiben vom 03.08.2007 aufgefordert, bis zum 03.09.2007, 12.00 Uhr ein entsprechendes - bis 31.12.2007 verbindliches - Angebot für eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 bei der Antragstellerin Ziffer 1 abzugeben.
Eine inhaltsgleiche Veröffentlichung dieses Anschreibens erfolgte im elektronischen Bundesanzeiger am 06.08.2007 mit Korrekturen vom 10. und 28.08.2007.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 03.08.2007 sowie auf die beigefügten Anlagen verwiesen.
Aus den bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangenen Angeboten wurden je Wirkstoff drei bis vier Pharmaunternehmen ausgewählt, mit denen Rabattverträge abgeschlossen werden sollten.
Mit Schreiben vom 14.09.2007 informierten die Antragstellerinnen sämtliche ein Angebot abgegebenen Pharmaunternehmen “im Vorgriff„ auf die zu erfolgenden Vertragsabschlüsse, die “14 Tage nach Absendung dieser Vorabinformation beabsichtigt„ seien. Eine Benennung der jeweils ausgewählten Pharmaunternehmen enthielt dieses Schreiben nicht.
Daraufhin beantragte die … (Beigeladene Ziffer 1) mit Schreiben vom 25.09.2007 bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach den §§ 102 und 107 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit der Begründung, die Antragstellerinnen hätten mit ihrem Vorgehen gegen mehrere vergaberechtliche Vorgaben verstoßen.
Nach Beiladung von 31 Pharmaunternehmen fasste die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf den Beschluss (VK-31/2007-L), den hiesigen Antragstellerinnen zu untersagen, hinsichtlich der im einzelnen bezeichneten Wirkstoffe auf die vorliegenden Angebote Zuschläge zu erteilen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, eine vorrangige Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit bestehe nicht. Auch ihre örtliche Zuständigkeit sei gegeben.
Der für die Vergabe öffentlicher Aufträge maßgebende Schwellenwert von 211.000,00 Euro sei vorliegend überschritten.
Die Antragstellerinnen seien öffentliche Auftraggeber.
Auch die Merkmale eines öffentlichen Auftrages (Leistungserbringung gegen Entgelt an einen öffentlichen Auftraggeber) lägen vor.
Eine vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession liege hier ebenso wenig wie eine Bereichsausnahme nach § 100 Abs. 2 GWB vor.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die Antragstellerinnen gegen das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot au...