Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. 24-Stunden-Behandlungspflege. Abgrenzung zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R = BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 und vom 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R = SozR 4-2500 § 37 Nr 6), wonach im Falle einer erforderlichen Behandlungspflege von 24 Stunden täglich während der Erbringung der Grundpflege die Behandlungspflege in den Hintergrund treten soll, mit der Folge, dass Versicherte die den Sachleistungshöchstwert der sozialen Pflegeversicherung übersteigenden Kosten selbst zu tragen haben, bestehen erhebliche rechtliche Bedenken .
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab sofort bis zum 30.11.2007 Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich zur Verfügung zu stellen und die Antragstellerin vorläufig von den in der Zeit vom 12.06.2007 bis zum 26.07.2007 entstandenen Kosten für Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich freizustellen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von häuslicher Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich.
Die 1940 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin leidet unter anderem an amyotropher Lateralsklerose und respiratorischer Insuffizienz. Sie bedarf daher der Krankenbeobachtung rund um die Uhr. Sie erhält von der bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse Kombinationsleistungen der Pflegestufe II. Nach dem neuesten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 26.01.2007 besteht ein täglicher Grundpflegebedarf von insgesamt 210 Minuten und ein täglicher hauswirtschaftlicher Hilfebedarf von 60 Minuten. Im September 2006 wurde der Antragstellerin erstmals Krankenbeobachtung als häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich verordnet und für sie ein entsprechender Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt. Im Anschluss wurden weitere entsprechende Verordnungen ausgestellt. Die Antragsgegnerin holte ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 28.09.2006 ein. Danach sei täglich eine 24-stündige spezielle Krankenbeobachtung notwendig. Zeitgleich könnten weitere erforderliche behandlungspflegerischen Maßnahmen und die notwendige Grundpflege durchgeführt werden. Diese Feststellungen wurden mit MDK-Gutachten vom 26.01.2007 im Wesentlichen bestätigt.
Ein ambulanter Pflegedienst führt die permanente Krankenbeobachtung sowie weitere behandlungspflegerische Maßnahmen und einen Teil der Grundpflege durch. Diese Maßnahmen werden auf der Grundlage eines zwischen dem Pflegedienst und der Antragsgegnerin sowie der Pflegekasse geschlossenen Vertrages mit einem Stundensatz von EUR 30,00 abgerechnet. Der Ehemann der Antragstellerin übernimmt die gesamte hauswirtschaftliche Versorgung und laut MDK-Gutachten vom 26.01.2007 täglich etwa 75 Minuten der Grundpflege.
Mit Bescheiden vom 25.10.2006, 14.12.2006, 15.01.2007, 07.02.2007 und 11.07.2007 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter anderem eine spezielle Krankenbeobachtung im Umfang von bis zu 24 bzw. 20,5 Stunden täglich bis zum 30.11.2007. Beim grundsätzlich bestehenden Anspruch auf häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Zeiten in Abzug zu bringen, in denen gleichzeitig Grundpflege geleistet werde, da die Kosten hierfür von der Pflegekasse zu tragen seien. Bislang liege noch kein Nachweis für die Erbringung der Grundpflege vor, so dass die Dauer der Behandlungspflege vom Pflegedienst nicht transparent nachgewiesen sei. Sie verwies die Antragstellerin im Übrigen auf sozialhilferechtliche Leistungen. Außerdem forderte sie einen detaillierten Leistungsnachweis über Dauer sowie Art der Behandlungs- und Grundpflege an.
Mit Schreiben vom 10.04.2007 erläuterte die Antragsgegnerin gegenüber dem Pflegedienst, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und auf der Grundlage der Feststellung des MDK vom 29.01.2007, wonach bei der Antragstellerin ein täglicher Grundpflegebedarf von 210 Minuten täglich bestehe, seien bei einem Stundensatz von EUR 30,00 von den Kosten der Behandlungspflege täglich EUR 105,00 in Abzug zu bringen, da insoweit die Leistungen der Behandlungspflege von den überlagerten Leistungen der Grundpflege abgedeckt seien.
Mit Anwaltsschreiben vom 20.04.2007 stellte die Antragstellerin hinsichtlich des Bescheides vom 07.02.2007 (Verordnungszeitraum vom 01.02.2007 bis 30.06.2007) einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zur Begründung führte sie aus, im vorliegenden Fall sei der Anspruch auf häusliche Krankenpf...