Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Versorgung mit Hilfsmitteln im Rahmen der Heilbehandlung. Elektrofahrrad. Fahrrad mit Elektroantrieb vom Typ "Pedelec"
Orientierungssatz
1. Unter Ziff. 4.15.2 der UV-Hilfsmittelrichtlinie sind unter Fahrrädern, die für Menschen mit Behinderung geeignet sind, nach sinngemäßer Auslegung und aufgrund des systematischen Zusammenhangs wohl keine handelsüblichen Fahrräder zu verstehen. Gemeint sind nach Auslegung der Kammer Fahrräder mit besonderen Vorrichtungen, die für Menschen mit körperlichen Einschränkungen hergestellt oder umgerüstet werden, wie z. B. Doppelschalensitzfahrräder oder auch die Pedalverkürzung an einem handelsüblichen Fahrrad.
2. Elektrofahrräder, auch solche vom Typ eines "Pedelec", sind Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die von Menschen ohne Behinderung oder gesundheitliche Einschränkungen gleichfalls genutzt werden und keine besondere Eignung für Menschen mit Behinderung besitzen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für die Versorgung des Klägers mit einem Elektrofahrrad durch die Beklagte streitig.
Der Kläger erlitt am 26.11.2008 während einer Betriebsfeier einen Arbeitsunfall. Er zog sich eine komplexe Verletzung des linken Kniegelenks (Luxation des linken Kniegelenks mit lateraler Tibiakopffraktur und ausgedehnter Ruptur des medialen Seitenbandapparates und der Kreuzbänder) zu. Mit Anerkenntnis vom 01.06.2010 im Verfahren vor dem SG Stuttgart unter dem Aktenzeichen S 9 U 6224/09 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall des Klägers an und verpflichtete sich, Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren. Mit Bescheid vom 25.07.2011 wurde nochmals festgestellt, dass das Ereignis vom 26.11.2008 einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall darstelle, durch den folgende Unfallfolgen entstanden seien: Stabil sitzende Endoprothese im linken Kniegelenk mit deutlich eingeschränkter Beweglichkeit, Beinverkürzung links von ca. 1,5 cm, deutliche Muskelminderung am linken Bein und periphere Läsion der Unterschenkelnerven am linken Bein mit entsprechend sensiblen und motorischen Störungen. Es wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers in Höhe von 40 vom Hundert (v. H.) zuerkannt.
Mit Datum vom 09.07.2010 stellte der behandelnde Arzt Dr. T. ein Rezept aus, mittels dem er dem Kläger ein Fahrrad mit Elektroantrieb verordnete. Die Verordnung eines Elektrofahrrades wurde auch in einem Rentengutachten von Dr. R. der ...Kliniken, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, vom 26.08.2010 empfohlen. Die Beschaffung eines Fahrrades mit unterstützendem Elektromotor und insbesondere spezieller Pedaltechnik links wurde von dort vorgeschlagen, "um bei eingeschränkter Kniegelenksbeweglichkeit das Fahrradfahren überhaupt zu ermöglichen" (für die Einzelheiten s. Bl. 296, Bd. II der Verwaltungsakte). Der Kläger beantragte in der Folge die Kostenübernahme für ein Elektrofahrrad bei der Beklagten und reichte einen Kostenvoranschlag über ein Fahrrad mit Elektroantrieb der Marke "Bergamont Platoon 4.0 Mountain-Bike" (Kosten inklusive Ersatzakku insgesamt 3.639,00 Euro) ein.
Mit Bescheid vom 01.10.2010 bewilligte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Pedalverkürzung am vorhandenen Fahrrad des Klägers, die dieser aufgrund seiner Beinlängendifferenz benötigte.
Mit Datum vom 04.04.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für ein Elektrofahrrad mit der Begründung ab, es handele sich dabei nicht um ein Hilfsmittel im engeren Sinne und eine Rechtsgrundlage für eine Kostenübernahme sei daher nicht gegeben.
Der Kläger legte dagegen mit Schreiben vom 19.04.2011 Widerspruch ein. Er erklärte, es solle sich bei dem Elektrofahrrad um ein sog. "Pedelec" handeln, bei dem er selber treten müsse, um sich fortzubewegen, und der Motor nur zur Unterstützung beim Anfahren oder längeren Steigungen gedacht sei. Eine zu große Belastung seiner Kniegelenksprothese durch Treten müsse er vermeiden, und das Fahrradfahren tue seiner Gesundheit gut und entlaste sein operiertes Knie. Andere Sportarten wie z. B. Joggen seien aufgrund der Beinverkürzung des linken Beines nur eingeschränkt möglich. Er legte eine Stellungnahme von Prof. Dr. F. der Orthopädischen Klinik M. unter dem 10.05.2011 vor, in dem dieser ausführt, er empfehle "zur Verbesserung der Beweglichkeit des Kniegelenkes und zur Stabilisierung und Kräftigung der knieführenden Muskulatur, knieschonende Sportarten wie z. B. Fahrrad fahren. Da bei dem Pat. jedoch eine komplexe Schädigung auch des Streckapparates zu Grunde liegt" empfehle er die Nutzung eines Fahrrades mit Elektrounterstützung (vgl. Bl. 192 Band II der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aus medizinischer Sicht die Verordnung eines Elektrofahrrades nicht erforderlich sei und das Fahrrad in den Privatbereich gehöre. Sportliche Betätigu...